Messfehler von mehr als 20% bei Video-Geschwindigkeitsmessungen mit der Video-Stoppuhr CG-P50E möglich: Unterschied zwischen den Versionen

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* Zitat4: ''Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die im Jahre 1988 erteilte Zulassung bis heute uneingeschränkt gültig ist (abgesehen von der Ihnen bekannten Aktualisierung der Fehlergrenzen im 2. Nachtrag).''
* Zitat4: ''Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die im Jahre 1988 erteilte Zulassung bis heute uneingeschränkt gültig ist (abgesehen von der Ihnen bekannten Aktualisierung der Fehlergrenzen im 2. Nachtrag).''


== Kommentar von Johannes Priester ==
== Kommentar von [[Priester, J. | Johannes Priester]] ==
Die Stellungnahme der PTB geht eigentlich nicht auf den Kern des Problemes ein! Es wurde ein Meßgerät  mit eigener Zeitbasis zugelassen- tatsächlich wird jedoch die Zeitbasis einer nicht geeichten Videokamera verwendet.  
Die Stellungnahme der PTB geht eigentlich nicht auf den Kern des Problemes ein! Es wurde ein Meßgerät  mit eigener Zeitbasis zugelassen- tatsächlich wird jedoch die Zeitbasis einer nicht geeichten Videokamera verwendet.  


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Brisant: scheinbar wurden Geräte bei der amtlichen Verkehrsüberwachung (zumindest in Bayern) eingesetzt, '''bevor''' die formale Zulassung durch die PTB dafür erfolgte. Ob hier von ''vorauseilendem Gehorsam der amtlichen Verkehrsüberwachung'' gesprochen werden darf? Unabhängig von der tatsächlichen Messgenauigkeit der verwendeten Komponenten obliegt die formale Bewertung dieses Umstands der juristischen Würdigung. Wenn die amtliche Verkehrsüberwachung derart nachlässig durchgeführt wird, öffnet dies (vermutlich erfolgversprechenden) Einsprüchen der Betroffenen Tür und Tor.  
Brisant: scheinbar wurden Geräte bei der amtlichen Verkehrsüberwachung (zumindest in Bayern) eingesetzt, '''bevor''' die formale Zulassung durch die PTB dafür erfolgte. Ob hier von ''vorauseilendem Gehorsam der amtlichen Verkehrsüberwachung'' gesprochen werden darf? Unabhängig von der tatsächlichen Messgenauigkeit der verwendeten Komponenten obliegt die formale Bewertung dieses Umstands der juristischen Würdigung. Wenn die amtliche Verkehrsüberwachung derart nachlässig durchgeführt wird, öffnet dies (vermutlich erfolgversprechenden) Einsprüchen der Betroffenen Tür und Tor.  


Die im SZ-Artikel beschriebene Haltung der PTB dazu entlockt dem Leser mal wieder ein ungläubiges Grinsen....
Die im SZ-Artikel beschriebene Haltung der PTB dazu entlockt dem Leser mal wieder ein ungläubiges Grinsen....
 
Die Zusammenfassung bzw. die Gesprächsnotiz zu einem Telefonat zwischen dem Ingenieurbüro Fürbeth & Kollegen und Herrn Dr. Märtens (PTB) findet sich [http://www.unfallanalyse24.de/verkehrsmesstechnik.htm hier].


==Weitere Beiträge zum Thema im VuF==
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Version vom 30. Juni 2007, 16:53 Uhr

2007, p. 137 (#5) – Download bei Vieweg


Zitat

Wietschorke, St.: Messfehler von mehr als 20% bei Video-Geschwindigkeitsmessungen mit der Video-Stoppuhr CG-P50E möglich. Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 45 (2007), pp. 137 – 142 (# 5)

Inhaltsangabe

Im Beitrag werden Messfehler des Zeichengenerators JVC Piller CG-P50E bei der Abstands- bzw. bei der Videogeschwindigkeitsmessung aufgezeigt und das Eichverfahren bei den Eichämtern sowie das Zulassungsverfahren der PTB kritisiert.

Bei dem Gerät handelt es sich nicht um eine eichfähige (Videostop-)Uhr, sondern um einen Halbbildzähler ohne eigene Zeitbasis. Die Kamera, die den Zeitabstand der Halbbilder festlegt, ist jedoch nicht in die Eichung mit einbezogen, es darf vielmehr eine beliebige Kamera angeschlossen werden. Der Zeichengenerator setzt zur Berechnung der Zeit aus den Halbbildern eine Kamera mit 50 Halbbildern pro Sekunde stillschweigend voraus. Viedeokameras müssen jedoch nicht unbedingt mit 50 Halbbildern arbeiten, NTSC-Kameras z.B haben 60 Halbbilder pro Sekunde.

Eine zu hohe Bildfrequenz führt zu einer zu großen Zeit und damit zu einer zu geringen Geschwindigkeit (zu Gunsten eines Betroffenen). Bei zu geringer Bildfrequenz ergibt sich eine zu geringe Zeit und damit zu Ungunsten des Betroffenen eine zu große Geschwindigkeit. Sollte das Verfahren im amtlichen Verkehr weiter Anwendung finden, so müssten – nach Auffassung von Wietschorke, der auch Autor im Hugemann: Unfallrekonstruktion ist – die jeweils eingesetzten Videokameras ebenfalls geeicht werden, was bis dato mitnichten der Fall ist. So jedenfalls dürften die Geräte nicht weiter im amtlichen Verkehr eingesetzt werden; die PTB-Zulassung (seit 1988!) müsse zurückgezogen werden.

Man darf gespannt sein, wie und wann sich die PTB zu diesem Artikel positioniert.

Korrespondenz mit der PTB

Am 04.06.2007 teilte die PTB dem Verfasser des Artikels (Wietschorke) per Mail mit (Auszüge):

  • Zitat1: Entsprechend den Festlegungen der Gebrauchsanweisung darf der Charakter­generator nur an die hierfür vorgesehenen Videokameras angeschlossen werden. In der betreffenden Gebrauchsanweisung heißt es wörtlich:

Dieser Zeichengenerator ist nur in Kombination mit JVC-Videokameras verwendbar. Er ist nicht für Geräte anderer Hersteller bestimmt.

Dies steht im direkten Widerspruch zum Zulassungsschein. Dort heißt es

"2.1 Unterlagen und Anwendung

Der Charaktergenerator des Typs CG-P50E muss der Bedienungsanleitung CG-P50E/TG3 vom 04.12.87 entsprechen. Es dürfen beliebige Videokameras und Recorder verwendet werden, wenn sich der Charaktergenerator an diese Geräte anschließen lässt."

  • Zitat2: Insofern ist die von Ihnen getroffene Aussage, dass es bei einem Einsatz der Geräte zu Messfehlern von mehr als 20% kommen kann, irreführend. Sie beschreibt vielmehr einen von der PTB-Zulassung nicht abgedeckten Einsatzfall (Verwendung einer Kamera mit der in den USA gültigen NTSC-Fernsehnorm). Auf diesen Umstand wurde in Ihrem Artikel in keiner Weise hingewiesen. Darüber hinaus halten wir es für völlig unrealistisch, dass eine derartige Kamera in Deutschland eingesetzt wird.

Wenn beliebige Kameras angeschlossen werden dürfen, warum dann keine NTSC-Kameras? Der Zulassungsschein enthält das Wort beliebig, aber keinen Hinweis, dass nur PAL-Signale verarbeitet werden dürfen. An etlichen Camcordern lassen sich verschiedene Video-Ausgangssignale einstellen. Warum soll eine Fehleinstellung unrealistisch sein? Nach der PTB-Richtlinie PTB-A 18.13 (Video-Uhren, Dez. 2005) sind Video-Uhren für eine Kamerafrequenz von mindestens 24Hz auszulegen. Dies ergäbe bei dem Gerät CG-P50E bereits einen Fehler von 4%; wäre also höher als der im Eichgesetz für Geschwindigkeitsmessgeräte festgelegte maximal zulässige Fehler von 3%.

  • Zitat3: Darüber hinaus stellen Sie die Rolle der PTB in Ihrem Kommentar zum „Umgang der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt mit der dargestellten Problematik“ verzerrt und fehlerhaft dar. Sie stellen die Behauptung auf, dass der PTB die Funktionsweise des Gerätes weder bei der Erteilung der Bauartzulassung noch bei der Verfassung des in der aktuellen Rechtsprechung häufig herangezogenen PTB-Berichtes PTB-MA-57 „Zur Messunsicherheit der Videoabstandsmessverfahren VAM und VAMA bei der amtlichen Verkehrsüberwachung“ bekannt gewesen sei und erwecken den Eindruck, dass die Funktionsweise des Gerätes erstmalig aufgrund der von Ihnen durchgeführten Versuche bekannt geworden ist. Richtig ist vielmehr, dass Sie erst durch die PTB über die Funktion des Gerätes (im Rahmen eines ausführlichen Telefonates) informiert worden sind.

Wenn die PTB tatsächlich bereits bei der Zulassung und später bei Verfassen des Berichts PTB-MA-57 die exakte Funktion des Bildzählers kannte und das Gerät trotzdem als Video-Stoppuhr zuließ bzw. die Zulassung nicht widerrief, müsste sie auch für die Folgen der widerrechtlichen Zulassung eines nicht-eichfähigen Geräts haften. Prozesse zu entgangenen Fahrfreuden oder zu Vermögensschäden durch Jobverlust bei Kraftfahrern etc. wären denkbar.

Außerdem: Wenn die Mitarbeiter der PTB die tatsächliche Funktion des Geräts kannten, warum beschrieben sie dann die Funktion des Geräts im Zulassungsschein falsch? Und warum führten sie im Rahmen der Untersuchung PTB-MA-57 einen Versuch durch, der aufgrund der Funktion des Geräts die Messgenauigkeit gar nicht bestätigen konnte? Es sind weiterhin Zweifel angebracht.

Die PTB nahm leider keine Stellung zu den Kernproblemen beim Einsatz des Geräts:

  • widerrechtliche Zulassung eines Zählers ohne eigenen Zeitbaustein als Uhr
  • fehlende Definition, Prüfung oder Zulassung der zeitbestimmenden Kameras
  • willkürliche Festlegung des Verkehrsfehlers, da die Toleranzen der zeitbestimmenden Kameras nicht bekannt sind
  • fehlende Überwachung und Rückmeldung des Geräts bei fehlerhaften, zu schnellen oder zu langsamen Zeitsignalen (Videofrequenz)

Die PTB will die Zulassung nicht zurückziehen oder ergänzen.

  • Zitat4: Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die im Jahre 1988 erteilte Zulassung bis heute uneingeschränkt gültig ist (abgesehen von der Ihnen bekannten Aktualisierung der Fehlergrenzen im 2. Nachtrag).

Kommentar von Johannes Priester

Die Stellungnahme der PTB geht eigentlich nicht auf den Kern des Problemes ein! Es wurde ein Meßgerät mit eigener Zeitbasis zugelassen- tatsächlich wird jedoch die Zeitbasis einer nicht geeichten Videokamera verwendet.

In diesem Zusammenhang muß man auch einmal die Möglichkeit der Messung mit nicht geeichter Kamera sehen. Im Jahr 2003 hatten verschiedene Polizeidienststellen in Rheinland-Pfalz Geschwindigkeitsmessungen mit nicht geeichten handelsüblichen Videokameras durchgeführt. Als Wegbasis wurden die auf der Fahrbahn angebrachten Markierungen des Charaktergenerators verwendet und die Zeit wurde durch Zählung der Einzelbilder ermittelt.

Auf Anfrage der Zulässigkeit schrieb die PTB am 5.8.2003:

  • Zitat: Es besteht unseres Erachtens kein Zweifel, dass gegebenenfalls die Verwendung handelsüblicher nicht zugelassener und nicht geeichter Videokameras zur unmittelbaren Geschwindigkeitsermittlung von Fahrzeugen bei der amtlichen Überwachung des Straßenverkehrs durch einfaches Auszählen der Bilder nicht zulässig ist.

Aber wo ist denn jetzt der Unterschied zum JVC CG-P50E ?' Inwiefern soll sich denn die Genauigkeit einer JVC-Kamera von anderen Anbietern unterscheiden? All diese Fragen werden wohl offen bleiben.

Artikel SZ, 29.06.2007

In einem Artikel (Autor: Olaf Przybilla), der am 29.06.2007 in der Süddeutschen Zeitung (SZ) unter dem Titel Falsch geeicht erschien, wird die Verwendung nicht zugelassener Videokameras in Bayern seit mindestens 10 Jahren durch den Gutachter Uwe Fürbeth (es handelt sich um den Neffen des allseits bekannten Kollegen Volker Fürbeth) aufgezeigt. Der Zeichengenerator sei nur in Verbindung mit JVC-Kameras zur amtlichen Geschwindigkeitsmessung verwendbar. Das bayerische Innenministerium hielt die Vorwürfe für haltlos, da die Abstandsmessgeräte auch mit Videokameras anderer Hersteller fehlerfrei arbeiteten. Die PTB verwies auf die in 1988 erteilte Zulassung, die bis heute uneingeschränkt gültig sei. Die PTB aber räumte ein, dass offensichtlich bereits vor der Nachtragserteilung Kameras anderer Hersteller eingesetzt worden seien: Einzelfälle hierzu seien bekannt, die Kameras seien aber i.d.R. in die Eichung miteinbezogen gewesen. Fürbeth gab in diesem Zusammenhang an, dass die Fa. Piller zwischenzeitlich einen Zulassungsnachtrag mit der Erweiterung auf beliebige Kameras beantragt habe.

Brisant: scheinbar wurden Geräte bei der amtlichen Verkehrsüberwachung (zumindest in Bayern) eingesetzt, bevor die formale Zulassung durch die PTB dafür erfolgte. Ob hier von vorauseilendem Gehorsam der amtlichen Verkehrsüberwachung gesprochen werden darf? Unabhängig von der tatsächlichen Messgenauigkeit der verwendeten Komponenten obliegt die formale Bewertung dieses Umstands der juristischen Würdigung. Wenn die amtliche Verkehrsüberwachung derart nachlässig durchgeführt wird, öffnet dies (vermutlich erfolgversprechenden) Einsprüchen der Betroffenen Tür und Tor.

Die im SZ-Artikel beschriebene Haltung der PTB dazu entlockt dem Leser mal wieder ein ungläubiges Grinsen....

Die Zusammenfassung bzw. die Gesprächsnotiz zu einem Telefonat zwischen dem Ingenieurbüro Fürbeth & Kollegen und Herrn Dr. Märtens (PTB) findet sich hier.

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