Gefahr erkannt, Risiko gebannt?

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2004, p. 161 (#7/8)

Hintergrund und Ziel der Arbeit war die Klärung der Frage, ob und in welchem Maße die Halsmuskulatur zur Verminderung einer Halswirbelsäulenbeschleunigungsverletzung beitragen kann. In dieser Pilotstudie wurden Heckanstoßversuche mit unterschiedlicher Erwartungshaltung (unerwartet, erwartet, verspannt) durchgeführt.
Neben den Schlittenbeschleunigungen wurden an 11 Probanden die Brust- und Kopfbeschleunigung in Abhängigkeit von der Zeit gemessen.
Parallel hierzu die EMG-Messdaten gewonnen. Dies einmal zur Kontrolle und Ergänzung der biomechanischen Messdaten sowie zur Beantwortung der Frage, wie bzw. wie schnell die Muskelaktivität auf eine kurzzeitige Belastung durch einen unerwarteten oder erwarteten Heckanstoß antwortet. Alle Anstöße wurden mit Geschwindigkeiten im sogenannten unteren Bereich durchgeführt, in dem Bereich, in dem man auch im täglichen Leben Belastungen erfährt. Jeder Proband wurde vor dem Versuch medizinisch untersucht. Alle waren gesund, hatten keine Vorschädigung und keine degenerativen Veränderungen im HWS-Bereich - keiner der Probanden wurde verletzt!
Zunächst wurde kein Unterschied in der Belastung der HWS bei den Probanden gefunden, wenn unerwartete und erwartete Anstöße miteinander verglichen wurden. Dagegen kann der bereits vor dem Anstoß muskulär angespannte Muskelapparat des Halswirbelsäulenbereiches das Verletzungsrisiko erheblich vermindern. Aus dem Messergebnis ist zu folgern, dass selbst bei einem erwarteten Anstoß ohne ein bewusstes muskuläres Anspannen des Halses bzw. der Gesamtmuskulatur des Körpers die Reflexzeit, die Antwort der Muskulatur auf einen nicht antizipierten Anstoß offenbar zu lange dauert, um eine Schutzfunktion für den Hals aufbauen zu können. Dagegen bietet, wie die EMG-Messungen bei verschiedenen Muskelgruppen gezeigt haben, eine muskuläre Anspannung schon vor dem Anstoß eine gute Schutzfunktion zur Vermeidung einer HWS-Beschleunigungsverletzung.
In Anbetracht zahlreicher geklagter Beschwerdebilder nach HWS-Beschleunigungstraumen sollte den Autofahrern bewusst gemacht werden, dass dann, wenn sie eine drohende Kollision optisch oder akustisch wahrnehmen können, sie sich nicht nur alleine durch diese Sensibilisierung auf den Anstoß vorbereiten, sondern sie bewusst eine muskuläre Anspannung des gesamten Körpers herbeiführen sollten. Außerdem sollten sie den Abstand zwischen Hinterkopf und Kopfstütze gegen 0 verringern (was bisher aber auch schon bekannt war) und sich am Lenkrad abstützen. Dann nämlich nehmen Kopf und Brust zur gleichen Zeit an der beginnenden Beschleunigung teil. Somit bleibt die Belastung der Halswirbelsäule auf einem unteren Niveau, was neben Ausbleiben körperlicher Beschwerden im Sinne der Prävention auch ein erheblicher volkswirtschaftlicher Gewinn wäre.


Zitat

Piro, T.; Fürbeth, V.; Großer, W.; Weidner, C.; Schellman, B.: Gefahr erkannt, Risiko gebannt? Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 42 (2004), pp. 161 – 170 (#7/8)

Inhaltsangabe

Dissertation des Erstautors.

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