Ausrollverzögerungen von Pkw bei ungebremstem Auslauf: Unterschied zwischen den Versionen
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* 1993 #9, 1994 #11 [[Beschleunigungsverhalten von Kraftfahrzeugen]] (Ergebnisse von Ausrollverzögerungen) | |||
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Aktuelle Version vom 6. Januar 2019, 13:46 Uhr
1991, p. 266 (#10)
Zur Ermittlung der ungebremsten Ausrollverzögerung wurden mit sechs Pkw's mit Schaltgetriebe 172 Versuchsfahrten durchgeführt. Die Parametervariationen reichten von Motor ein - aus über verschiedene Übersetzungen, unterschiedlicher Zuladung und Reifen bis hin zur Absenkung des Reifeninnendruckes einzelner und aller Räder. Mehrere Versuchsfahrten ohne Parametervariation dienten der Ermittlung des Streubereiches. Alle Fehlermöglichkeiten wie Meßungenauigkeit und Auswertung der Meßschriebe ergaben einen Bereich von 0.11 m/s2. Außerdem wurde ein Näherungsverfahren zur Berechnung der mittleren Ausrollverzögerung entwickelt.
Der Einfluß des Motorbetriebszustandes ist bei höheren Motordrehzahlen unwesentlich, bei Drehzahlen unter ca. 1500 1/min aber nicht mehr vernachlässigbar. Bei Ausrollvorgängen von Fahrzeugen mit ausgeschaltetem Motor bleibt die Ausrollverzögerung unter 1500 1/min bis zur Endstellung des Fahrzeuges weitgehend konstant. Bei eingeschaltetem Motor sinkt die Ausrollverzögerung dagegen stark ab, und je nach eingelegtem Gang und Leerlaufdrehzahl kann sich das Fahrzeug mit einer konstanten Geschwindigkeit weiter bewegen.
Einen entscheidenden Einfluß auf die Mindestausrollverzögerung übt die Fahrzeugmasse und der Anteil der rotierenden Massenteile aus. Je größer die Masse eines Fahrzeuges ist, desto geringer wird dessen Ausrollverzögerung. Ist das Verhältnis der rotierenden Massenteile zur Gesamtmasse hoch, ist die Ausrollverzögerung tendenziell geringer. Einen weiteren Einfluß auf die Ausrollverzögerung hat der Reifeninnendruck der Räder. Bei den durchgeführten Versuchen wurde festgestellt, daß sich eine Luftdrucksenkung erst unterhalb 1,0 bar an allen Rädern meßbar auf die Ausrollverzögerung auswirkt. Bei Luftdrucksenkungen an einzelnen Rädern wirken unterschiedliche Verzögerungen auf das Fahrzeug. Je nach Radaufstandskraft und Luftdruck sind diese Verzögerungen mehr oder weniger groß.
Versuchsfahrten mit Winterreifen ergaben zwar geringfügig höhere Meßwerte für die Ausrollverzögerungen, jedoch lagen die Abweichungen im Bereich der Meßwertstreuungen. Für die Praxis der Unfallrekonstruktion wurde eine Näherungsgleichung zur Ermittlung der mittleren Ausrollverzögerung in Abhängigkeit wichtiger Fahrzeugdaten hergeleitet. Ein Vergleich der berechneten Werte mit den Gemessenen ergab nur geringe Abweichungen (max. 0.04 m/s2), was bedeutet, daß diese Berechnung für die Praxis ausreichend genau ist.
Zitat
Dettinger, J.; Schäfer, R.: Ausrollverzögerungen von Pkw bei ungebremstem Auslauf. Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 29 (1991), pp. 266 - 276 (# 10)
Inhaltsangabe
In 172 Versuchsfahrten wird die Rollverzögerung von sechs verschiedenen Pkw
- VW Golf CL 1,3 l
- VW Golf 1,6 l
- VW Golf Diesel 1,6 l
- VW Transporter Diesel 1,6 l
- Ford Escort Cabrio 1,6 l
- Mercedes 230 E 2,3 l
messtechnisch ermittelt. Dabei werden variiert:
- eingelegter Gang
- Reifeninnendrucks
- der Reifenart (Sommer / Winter)
- Beladung
- Fahrbahnneigung (Gefälle / Steigung)
- Motor ein / aus
Die Geschwindigkeit wurde mit einem XY-Schreiber über der Zeit aufgezeichnet. Um die Verzögerung zu ermitteln, wurde diese Kurve in 5-km/h-Schritten grafisch differenziert. Die Ergebnisse werden in der Mehrzahl als Diagramme Verzögerung [m/s²] über Geschwindigkeit [km/h] dargestellt. Alle Versuche wurden mehrfach wiederholt, wobei die Streuung nahezu immer im Bereich 0,03 – 0,06 m/s² lag, in einem Fall bei 0,1 m/s².
Näherungsformel
Im Artikel findet sich eine Näherungsformel, mit der sich die Rollverzögerung beliebiger Pkw bei ein- oder ausgeschalteten Motor (> 1500 U/min) berechnen lässt:
[math]\displaystyle{ a(v) = \frac {(0,14 + 0,1 \cdot p) \cdot m_F + \frac {62,8 \cdot i_{ges} \cdot V_H}{U_{Rad}}+ \frac {V_H^2 \cdot i_{ges}^2 \cdot v}{0,11 \cdot P_{eff} \cdot U_{Rad}^2} + 0,037 \cdot v^2}{m_F \cdot (1 + e)} }[/math]
In der Näherungsgleichung bedeuten:
Kürzel | Einheit | Beschreibung |
a | m/s2 | Fahrzeugverzögerung |
v | km/h | Fahrzeuggeschwindigkeit |
iges | ./. | Gesamtübersetzung der Getriebe |
e | ./. | Massenfaktor je nach Getriebeübersetzung
1. Gang: ca. 0,4 – 0,5 höchster Gang: ca. 0,02 – 0,05 |
VH | L = cm3 | Motorhubraum |
Peff | KW | effektive Motorleistung |
URad | m | Abrollumfang der Antriebsräder |
mF | kg | Fahrzeugmasse incl. Zuladung |
p | % | Straßenneigung (neg. = Gefälle, pos. = Steigung) |
mit
[math]\displaystyle{ e = \frac {J_{ges}}{m_F \cdot r_{dyn}^2} }[/math]
[math]\displaystyle{ k_R = 0,014 }[/math] (als konstant unterstellter Rollwiderstandsfaktor incl. Verluste des Antriebs!)
[math]\displaystyle{ g = 10\;m/s^2 }[/math]
[math]\displaystyle{ i_{ges} = i_{Gang} \cdot i_{Achs} \cdot i_n }[/math]
Diagramme für die Ermittlung der notwendigen Parameter sind ebenfalls abgedruckt.
Erratum
Im Text wird auf Abbildung 3 verwiesen um den Massenfaktor [math]\displaystyle{ e }[/math] für rotierende Massen abzulesen, dargestellt ist aber der Drehmassenzuschlagsfaktor [math]\displaystyle{ \lambda }[/math].
Es gilt: [math]\displaystyle{ \lambda=1+e }[/math]
Weitere Beiträge zum Thema im VuF
- 1986 #4 Der Einfluß des Motorschleppmoments auf die Bremsung von Personenwagen, insbesondere bei Rückwärtsfahrt
- 1993 #9, 1994 #11 Beschleunigungsverhalten von Kraftfahrzeugen (Ergebnisse von Ausrollverzögerungen)
Weitere Infos zum Thema
- SAE 980368 – The Measured Rolling Resistance of Vehicles for Accident Reconstruction (siehe auch Kap. 4.3 (A12, S. 433) Handbuch Verkehrsunfallrekonstruktion, 2. Auflage)