Statistische Analyse von über 140 Crashversuchen im niedrigen Geschwindigkeitsbereich Teil 3

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2020, p. 416 (#12)

Von 2001 bis 2018 wurden unter der Leitung der Arbeitsgruppe für Unfallmechanik Zürich [1] auf der Crashanlage des Dynamic Test Center in Vauffelin [2] und mit Unterstützung der schweizerischen Versicherungsgesellschaften insgesamt elf Serien mit total 144 geradlinigen Auffahrkollisionen (Crashtests) im niedrigen Geschwindigkeitsbereich mit modernen Personenwagen und Lieferwagen durchgeführt [3].Im ersten Teil unterzogen die beiden Autoren die Versuche einer deskriptiven Statistik (VKU 06/2017) [4].

Im zweiten Teil (VKU 11/2020) wurden die Fahrzeuge und Fahrzeugpaarungen bei diesen Kollisionen in Bezug auf die Querträgerstrukturen und deren Kompatibilität hin untersucht. Die Autoren haben zudem verschiedene Hypothesen aufgestellt und untersuchten den Einfluss der Querträger auf verschiedene Kollisionsparameter. Darauf soll in diesem Teil eingegangen werden.


Statistical analysis of over 140 low-speed crash tests part 3
From 2001 to 2018, a total of eleven series with a total of 144 low-speed straight-line rear-end collisions (crash tests) with modern passenger cars and delivery vans were carried out under the direction of the Working Group on Accident Mechanics (AGU Zurich) [1] at the Dynamic Test Center in Vauffelin [2] and with the support of the Swiss insurance companies [3]. In the first part, the two authors subjected the tests to descriptive statistics (VKU 06/2017) [4].

In the second part (VKU 11/2020), the vehicles and vehicle pairings in these collisions were examined with regard to the cross-member structures and their compatibility. The authors also put forward various hypotheses and investigated the influence of the crossmembers on various collision parameters. This will be discussed in this part.

Zitat

Eichholzer, Th.; Stäheli, P.: Statistische Analyse von über 140 Crashversuchen im niedrigen Geschwindigkeitsbereich Teil 3. Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 58 (2020), Teil 3 pp. 416 – 428 (#12)

Inhaltsangabe

In diesem Teil werden die Ergebnisse der statistischen Untersuchungen zu 144 AGU-Versuchen aus den Jahren 2001 bis 2018 zusammengetragen. Der Artikel enthält Angaben zur Geometrie vorderer und hinterer Querträger von 120 Pkw, wobei aufgrund der deutlichen Unterschiede im Aufbau zwischen den Gruppen Pw* (reine Personenwagen) und SUV unterschieden wird. Die Untergruppe der SUV ist mit 13 Fahrzeugen die deutlich kleinere.

Eine kurze Zusammenfassung der untersuchten Hypothesen / Aspekte [Ergänzungen zu den Zitaten in Eckigen Klammern]
Hypothese / Untersuchter Aspekt Ergebnis
Abmessungen von Querträgern
"SUV bieten mehr Bodenfreiheit gegenüber reinen Personenwagen

und deshalb ist die Querträgerhöhe (hQT) bei SUV sowohl vorne als

auch hinten größer als bei reinen Personenwagen."

"Die mediane Querträgerhöhe vorne der Gruppe SUV ist [...mit etwa 52 cm] 15 % größer als bei Pw* [mit 45 cm].

Am Fahrzeugheck ist das gleiche Maß [mit etwa gleichen Werten] 11 % größer."

"Da es sowohl bei den reinen Personenwagen wie auch bei den SUV

kleine als auch große Fahrzeugmodelle je Hersteller gibt, unterscheiden

sich die Querträgerbreiten (bQT) nur geringfügig."

"Die Unterschiede in Bezug auf die Querträgerbreite machen vorne 2 % und hinten 3 % aus."

[Bei SUV liegt der Median der Querträgerbreite vorne bei 1,12 m und hinten bei 1,19 m. Bei den Pw* sind es vorne 1,14 m und hinten 1,16 m.]

"Schwere Fahrzeuge sind in ihren äußeren Abmessungen größer als

leichtere Modelle und benötigen zum Schutz der Strukturen breitere Querträger."

"Sowohl für die vorderen als auch für die hinteren Querträger ist dieser Effekt in den Diagrammen nicht zu erkennen. Weder bei der Gruppe Pw*

noch in der Gruppe SUV ist eine klare Tendenz für diese Hypothese zu erkennen.Hingegen zeigt sich, dass die Fahrzeuge der Gruppe SUV eine

deutlich größere Versuchsmasse aufweisen als die Fahrzeuge der Gruppe Pw*."

"Die Querträgerhöhen vorne und hinten orientieren sich ab dem Baujahr 2010

an den neuen Anforderungen des RCAR Bumper Tests. Somit ist die Anzahl

an deutlich tiefer beziehungsweise höher liegenden Querträgern abnehmend."

"Beim Vergleich der Streuung der Querträgerhöhen aus den Jahren 2000 bis 2009 und 2010 bis 2015 ist eine leichte Abnahme der

Extremwerte vorne und eine deutlichere Abnahme hinten erkennbar. Die Werte zwischen den einzelnen Fahrzeugen vom gleichen Baujahr

sind noch immer so weit auseinander liegend, dass eine angestrebte Standardhöhe für Querträger nicht eindeutig erkennbar ist."

Überlappung bei verschiedenen Fahrzeugpaarungen
Höhenüberlappung Front vs. Heck bei reinen Personenwagen (Pw*)

- 9.030 mögliche Kombinationen

Ohne Höhenversatz 98 % Trefferquote der Querträger und je 1% Überfahren/Unterfahren. Bei um 50 mm eingetauchter Front kommt es in 18 %

der Kombinationen zum Unterfahren. Bei 100 mm Eintauchtiefe liegt die Trefferquote nur noch bei etwa 33 %.

Höhenüberlappung Front SUV vs. Heck Pw* - 1.118 mögliche Kombinationen Ohne Höhenversatz 34 % Überfahren. Bei 75 mm Eintauchtiefe der Front 2 % Überfahren. [Der Rest scheint wohl jeweils getroffen worden zu sein, steht aber nicht explizit im Text.]
Höhenüberlappung Front Pw* vs. Heck SUV - 1.575 mögliche Kombinationen Ohne Höhenversatz 34 % Unterfahren, bei 50 mm Eintauchtiefe der Front 67 % Unterfahren.
Einfluss der Überlappung der Querträger auf Kollisionsgrößen anhand einer Vergleichsmenge von 30 ähnlichen Crashversuchen (Referenzversuch HS 90 - Ford C-Max voll gebremst vs. Mercedes E-Klasse)
Die maximale dynamische Eindringtiefe sdyn sinkt mit zunehmender Überlappung der Querträger ab, da sich die steiferen Strukturen weniger stark verformen.

Grob zusammengefasst ergeben sich bei den untersuchten unterfahrenen Kollisionen Eindringtiefen zwischen knapp 30 und gut 50 cm; bei Überlappung der Querträger liegt sie im Bereich zwischen 20 und 40 cm. [Korrelationsfaktor r = -0,674]

Die Stoßdauer dt sinkt - aus demselben Grund wie die Eindringtiefe - tendenziell mit steigender Überlappung der Querträger. Auch bei Überlappung der Querträger wurden jedoch - vereinzelt - Stoßdauern von über 150 ms gemessen. [Korrelationsfaktor r = -0,643]
Die maximale resultierende Beschleunigung im gestoßenen Fahrzeug ares2 max korreliert nicht erkennbar mit der Überlappung der Querträger. Es liegt also kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Querträgergeometrie und kollisionsbedingter Beschleunigung vor. Drei besonders hohe Werte von 15 bis 18 g wurden jedoch nur mit überlappenden Querträgern gemessen. [Korrelationsfaktor r = 0,226]
Die Reparaturkosten sinken tendenziell mit zunehmender Überlappung, da bei weniger tiefer Eindringung auch weniger Bauteile in Mitleidenschaft gezogen werden. [Korrelationsfaktor r = -0,550] [Diese Betrachtung hängt natürlich stark davon ab, in welchem Preissegment die Crashfahrzeuge angesiedelt sind und wie diese über die 30 Versuche verteilt sind.]
Die Trennungsgeschwindigkeit vTrenn hängt nicht erkennbar mit der Überlappung der Querträger zusammen. Bis auf einen Ausreißer mit vTrenn = 10 km/h liegen die Werte bei allen Versuchen durchmischt zwischen etwa 2 km/h und 8 km/h. [Korrelationsfaktor r = 0,108]
Auch die Stoßzahl k korreliert nicht erkennbar mit der Querträger-Überlappung [Korrelationsfaktor r = 0,174]. [Keine große Überraschung angesichts der bei AGU ähnlichen Relaivgeschwindigkeiten und dem Ergebnis bzgl. der Trennungsgeschwindigkeit.]
Abschließend wird noch die größte Korrelation unter den untersuchten Parametern herausgestellt: Die Stoßzeit steigt deutlich erkennbar linear mit der dynamischen Deformation (Eindringtiefe) an. [Korrelationsfaktor r = 0,926]
Anmerkungen:

Beschreibung der AGU-Parameter: http://agu.ch/1.0/crashdb/Auswertungserklaerung_V2018.pdf

Anmerkungen

Beiträge im VuF

Siehe auch