Leserbrief: Wertmaßstab für die Beurteilung der Insassenbelastung: a oder Δv?

Aus Colliseum
Zur Navigation springen Zur Suche springen

2001, p. 302 (#11)

Zitat

Huber, W.: Leserbrief: Wertmaßstab für die Beurteilung der Insassenbelastung: a oder Δv? Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 39 (2001), pp. 302 – 303 (#11).

Inhaltsangabe

Der Beitrag zeigt den unterschiedlichen Bewertungsmaßstab der Insassenbelastung: Bewertungskriterium a oder Δv? Anhand eines Beispiels wird diese Differenz gezeigt. Dazu sollen 2 massengleiche Fahrzeuge kollidieren. Das vordere Fahrzeug (1) steht, das hintere (2) prallt mit voller Überdeckung, längsachsenparallel mit 20 km/h (5,6 m/s) auf das stehende Fahrzeug. Als Stoßfaktor wird einmal 0,2 und einmal 0,5 und als dynamische Gesamtdeformation 0,3 m gewählt. Jedes Fahrzeug verformt sich dabei dynamisch um 0,15 m, so dass die Struktursteifigkeiten beider Fahrzeuge ebenfalls gleich sein müssen. Weiterhin baut der im Leserbrief beschriebene Ansatz darauf auf, dass sich Kompressionsphase und Restitutionspahse zeitlich in zwei gleiche Teile aufteilen sowie die mittlere Beschleunigung halb so groß ist wie die maximale Beschleunigung. Als wichtigstes Kriterium für die Insassenbeschleunigung nennt der Verfasser eben nicht die Δv (im Beispiel: 10 km/h = 2,8 m/s), sondern die mittlere Karossenbeschleunigung am.

Gl. 1.....[math]\displaystyle{ \Delta t_{Kompression} = \frac {s_{relativ}}{\frac {v_{2 Kollision}}{2}} = \frac {2 \cdot 0,30 m}{5,6 m/s} = 0,1071 s }[/math] (Bezugsgröße Gesamtverformungsweg: 0,30 m – nur Kompression ohne Restitution)


Gl. 2......[math]\displaystyle{ \Delta t_{Kompression} = \frac {s_{relativ}}{\frac {v_{2 Kollision}}{2}} = \frac {2 \cdot 0,15 m}{5,6 m/s} = 0,05357 s }[/math] (Bezugsgröße die Hälfte des Gesamtverformungswegs: 0,15 m – nur Kompression ohne Restitution)


Gl. 3.....[math]\displaystyle{ a_{m 1} = \frac {\Delta v_{Kompression}}{\Delta t_{Kompression}}=\frac {2,8 m/s}{0,1071 s}=26,14 m/s^2 = 2,67g }[/math]


Gl. 4.....[math]\displaystyle{ a_{m 1} = \frac {\Delta v_{Kompression}}{\Delta t_{Kompression}}=\frac {2,8 m/s}{0,05357 s}=52,27 m/s^2 = 5,33g }[/math]


Es wird nochmals die These betont, dass bei der halben relativen Wegstrecke die Kompressionszeit halb so groß und die mittlere Karossenbeschleunigung in der Kompressionsphase doppelt so groß sind. Man müsse jedenfalls zwischen Kompressions- und Restitutionsphase unterscheiden. Für obiges Beispiel (offensichtlich anlässlich eines Vortrags eines nicht genannten Referenten) und eine angegebene Δv = 12 km/h (3,33 m/s) ergebe sich im einen Fall (nur Kompression) eine mittlere Beschleinigung des gestoßenen Fahrzeugs von am1 = 1,6g und im anderen Fall (nur Kompression bei halber dyn. Verformung) am1 = 3,2g. Also einmal eine harmlose Belastung deutlich unter 3g und einmal eine kritische Belastung oberhalb von 3g bei gleichem Δv = 12 km/h.

Bei Ansatz von Bremsung während der Kollision kommt der Autor zu folgenden, qualitativen Schlußfolgerungen im Vergleich zum Crash ohne Bremsen:

  • beide Fahrzeuge gleich stark gebremst: kleinere mittlere Karossenbeschleunigung für das vordere Fahrzeug, größere mittlere Karossenbeschleunigung für das hintere Fahrzeug
  • vorderes Fahrzeug ungebremst, hinteres Fahrzeug gebremst: größere mittlere Karossenbeschleunigung für das vordere Fahrzeug, noch größere mittlere Karossenbeschleunigung für das hintere Fahrzeug

Antwort des Artikelverfassers Ing. Wolfgang Huber

Mir ist nicht bekannt, wer dies geschrieben hat. Sie zitieren falsch - Gleichung 1 lautet nicht so, wie Sie es darstellen. Es zeigt mir, dass Sie offensichtlich die Problematik nicht verstehen. In meinem Leserbrief steht eindeutig: Relative Wegstrecke (gemeint die maximale dynamische Deformationstiefe beider Fahrzeuge zusammen – relative Wegstrecke in der Kompressionsphase) angesetzt mit 0,30 m.

delta tKompression! Hier steht nichts von Kompression + Restitution. Dies ist nämlich das Wichtige an der Berechnung, dass alles ohne Restitution gerechnet wird. Der in größeren Toleranzen vorliegende k-Faktor wird nicht betrachtet - ist nicht erforderlich, diesen zu berücksichtigen. Alles kann ich Ihnen auf diesem Weg nicht erklären – ist nämlich sehr umfangreich (nehme aber doch an, dass Sie wissen wie die Kompressionsphase und die Restitutionsphase definiert ist – und was jeweils damit gemeint ist, und wie man das alles rechnet).

Ich darf Sie sehr wohl ersuchen, auch korrekt zu schreiben und richtig zu zitieren. Wenn man die Begriffe (Definitionen) durcheinander bringt, kommt üblicherweise nichts Richtiges heraus. Sie Entfremden mit dieser Unrichtigkeit meinen Leserbrief – es ist nämlich bei Gl. 1 nicht Kompression + Restitution, sondern selbstverständlich nur die Kompressionsphase. Und genauso ist es dort auch beschrieben.

Sie werden verstehen, dass ob dieser unrichtigen Formulierung in Ihrer Kritik ich mich aus dieser Diskussion mit Bedauern zurückziehe und nicht mehr weiter hier nachlesen werde.

Mit freundlichen Grüßen
Ing. W. Huber

Diskussion

Hier handelt es sich nicht um einen klassischen Leserbrief, in dem sich ein Leser auf einen vorausgegangenen Artikel in der Fachzeitschrift bezieht, sondern um die eigene Veröffentlichung einer brieflichen Kritik des Autors an Fachbeiträgen in einem Symposion "Peitschenschlag" (Brief auch unter Wissenschaftlicher Bericht - Deformationsarbeit an Fahrzeugen, S. 22 – 27).

Was der Autor eigentlich mit den beiden einführenden Gleichungen beweisen will, bleibt im Dunkeln: während Gl. 1 aus den Eingangsdaten nachzuvollziehen ist (die maximale dynamische Deformationstiefe beider Fahrzeuge zusammen von 0,30 m – relative Wegstrecke in der Kompressionsphase dividiert durch die mittlere relative Kollisionsgeschwindigkeit in der Kompressionsphase ergibt die Kompressionsdauer, hier 0,1071 s), fehlt eine Begründung, warum in Gl. 2 plötzlich nur 0,15 m als relative Wegstrecke in der Kompressionsphase eingesetzt wird – natürlich mit dem Ergebnis von nur 0,05357 s Kompressionsdauer! Und diese beiden Daten sind ja dann die Basis für die später folgenden "Beweisführungen".

Tiefer möchte ich an dieser Stelle auf den "Leserbrief" nicht eingehen, sondern allgemein die Frage aufwerfen, nach welchen Gesichtspunkten die Artikel ins Colliseum kommen?

Der obige Leserbrief und die Abhandlung Wissenschaftlicher Bericht - Deformationsarbeit an Fahrzeugen des gleichen Autors sind, wie ein Blick in deren Versionsgeschichte zeigt, Gegenstand zahlreicher kritischer Einwände. Natürlich sind solche Diskussionen fruchtbar, auch wenn sich bisher betroffene Autoren selbst nicht rückgemeldet haben; aber das große Engagement und der hohe Zeitaufwand der Diskussionswilligen könnte durch Anstoß entsprechender Artikel im Colliseum auf aktuellere Probleme und lohnendere Ziele gerichtet werden.

Beiträge zum Thema im VuF

Weitere Infos zum Thema HWS

Weitere Infos zum Thema