Die Kontaktpunktproblematik in der Unfallrekonstruktion - Energie-Doppelring- und Drehimpuls-Spiegel-Verfahren: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Bild:BottleOpenerEffect.JPG|thumb|"verhakter" Stoß]]
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Nachdem [[Deppe, W.| Wilhelm Deppe]] im Heft 3/1991 [[Der Einfluß der Kontaktpunktlage beim Drall-Spiegelverfahren - das kontaktpunktvariierte Drallfeld| über Probleme durch den Einfluss der Kontaktpunktlage]] im Zusammenhang mit dem von [[Schimmelpfennig, K.-H.|Schimmelpfennig]] entwickelten [[Ausnutzung der Symmetriebedingungen beim Impuls-Diagramm zur engeren Eingrenzung der Kollisionsgeschwindigkeiten unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Drallsatzes|Drall-Spiegelverfahren]] berichtet hatte, ist dieser nur sechs Monate später erschienene Beitrag offenkundig ein (eilig) erstellter Lösungsvorschlag. Dabei liegt das Problem keineswegs bei dem Lösungsverfahren selbst, sondern vielmehr an dem ebenen Ersatzmodell mit einem während der [[Stoßzeit]] unveränderlichen Stoßpunkt, an dem die resultierende Stoßkraft angreift, und wie das nebenstehend dargestellte Schema eines (echten) verhakten Stoßes nach dem Prinzip eines Flaschenöffners zeigt, befindet sich der Stoßpunkt bei diesem Fall infolge der "Zugkräfte" zwischen den Vorderrädern außerhalb des Kontaktbereiches! Das eigentliche Problem ist der gewählte Begriff '''Kontaktpunkt''', welcher einen Punkt innerhalb des Kontaktbereiches suggeriert.
Nachdem [[Deppe, W.| Wilhelm Deppe]] im Heft 3/1991 [[Der Einfluß der Kontaktpunktlage beim Drall-Spiegelverfahren - das kontaktpunktvariierte Drallfeld| über Probleme durch den Einfluss der Kontaktpunktlage]] im Zusammenhang mit dem von [[Schimmelpfennig, K.-H.|Schimmelpfennig]] entwickelten [[Ausnutzung der Symmetriebedingungen beim Impuls-Diagramm zur engeren Eingrenzung der Kollisionsgeschwindigkeiten unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Drallsatzes|Drall-Spiegelverfahren]] berichtet hatte, ist dieser nur sechs Monate später erschienene Beitrag offenkundig ein (eilig) erstellter Lösungsvorschlag. Dabei liegt das Problem keineswegs bei dem Lösungsverfahren selbst, sondern vielmehr an dem ebenen Ersatzmodell mit einem während der [[Stoßzeit]] unveränderlichen [[Stoßpunkt]], an dem die resultierende Stoßkraft angreift, und wie das nebenstehend dargestellte Schema eines (echten) verhakten Stoßes nach dem Prinzip eines Flaschenöffners zeigt, befindet sich der Stoßpunkt bei diesem Fall infolge der "Zugkräfte" zwischen den Vorderrädern außerhalb des Kontaktbereiches! Das eigentliche Problem ist der gewählte Begriff '''Kontaktpunkt''', welcher einen Punkt innerhalb des Kontaktbereiches suggeriert.


Auch wenn es sich beim Flaschenöffnereffekt um einen sehr seltenen Sonderfall handelt (der in 35 Jahren singulär geblieben ist), es gibt noch eine Reihe weiterer Fälle ([[EES - Ein Hilfsmittel zur Unfallrekonstruktion und dessen Auswirkungen auf die Unfallforschung|bspw. hier]]) bei denen das "übliche" Ersatzmodell nicht angewendet werden kann. Es ist daher keine ''echte'' Lösung des Problems, wenn auf dem gleichen Modell aufbauend bei ausreichenden Angaben die mathematische Überbestimmtheit des Gleichungssystems dazu benutzt wird, durch Umformungen der Gleichungen den Stoßpunkt zu ''verstecken'', auch wenn diese ''Vogel Strauß Politik'' in Sonderfällen zu brauchbaren Lösungen führen kann.
Auch wenn es sich beim Flaschenöffnereffekt um einen sehr seltenen Sonderfall handelt (der in 35 Jahren singulär geblieben ist), es gibt noch eine Reihe weiterer Fälle ([[EES - Ein Hilfsmittel zur Unfallrekonstruktion und dessen Auswirkungen auf die Unfallforschung|bspw. hier]]) bei denen das "übliche" Ersatzmodell nicht angewendet werden kann. Es ist daher keine ''echte'' Lösung des Problems, wenn auf dem gleichen Modell aufbauend bei ausreichenden Angaben die mathematische Überbestimmtheit des Gleichungssystems dazu benutzt wird, durch Umformungen der Gleichungen den Stoßpunkt zu ''verstecken'', auch wenn diese ''Vogel Strauß Politik'' in Sonderfällen zu brauchbaren Lösungen führen kann.

Version vom 2. Oktober 2020, 10:41 Uhr

1991, pp. 259 – 263 (#9)

In der Unfallmechanik ist es üblich, die zeitlich ausgedehnte Kollision mit flächiger Berührung als Stoß unendlich kurzer Zeitdauer mit punktueller Berührung zu idealisieren. In dem vorliegenden Aufsatz wird der Einfluß dieser Idealisierung insbesondere bei der Anwendung des Drallsatzes auf die Fahrzeug-Fahrzeug-Kollision näher untersucht. Anschließend werden zwei neue Verfahren vorgestellt, die die Definition eines idealisierten Kontaktpunktes entbehrlich machen.


Considering crash-mechanics it is a common approach to idealise the temporal extended collision with surface contact by an impact of infinite short time with one-point-contact. In this paper the influence of this idealisation especially on the application of the conservation of angular momentum to vehicle-vehicle-collisions is discussed. At the end we present two new methods which make the definition of an idealised point of contact dispensable.

Zitat

Schimmelpfennig, K.-H.; Hebing, N.: Die Kontaktpunktproblematik in der Unfallrekonstruktion - Energie-Doppelring- und Drehimpuls-Spiegel-Verfahren. Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 29 (1991), pp. 259 – 263 (#09)

Inhaltsangabe

Anmerkungen von Plankensteiner

"verhakter" Stoß

Nachdem Wilhelm Deppe im Heft 3/1991 über Probleme durch den Einfluss der Kontaktpunktlage im Zusammenhang mit dem von Schimmelpfennig entwickelten Drall-Spiegelverfahren berichtet hatte, ist dieser nur sechs Monate später erschienene Beitrag offenkundig ein (eilig) erstellter Lösungsvorschlag. Dabei liegt das Problem keineswegs bei dem Lösungsverfahren selbst, sondern vielmehr an dem ebenen Ersatzmodell mit einem während der Stoßzeit unveränderlichen Stoßpunkt, an dem die resultierende Stoßkraft angreift, und wie das nebenstehend dargestellte Schema eines (echten) verhakten Stoßes nach dem Prinzip eines Flaschenöffners zeigt, befindet sich der Stoßpunkt bei diesem Fall infolge der "Zugkräfte" zwischen den Vorderrädern außerhalb des Kontaktbereiches! Das eigentliche Problem ist der gewählte Begriff Kontaktpunkt, welcher einen Punkt innerhalb des Kontaktbereiches suggeriert.

Auch wenn es sich beim Flaschenöffnereffekt um einen sehr seltenen Sonderfall handelt (der in 35 Jahren singulär geblieben ist), es gibt noch eine Reihe weiterer Fälle (bspw. hier) bei denen das "übliche" Ersatzmodell nicht angewendet werden kann. Es ist daher keine echte Lösung des Problems, wenn auf dem gleichen Modell aufbauend bei ausreichenden Angaben die mathematische Überbestimmtheit des Gleichungssystems dazu benutzt wird, durch Umformungen der Gleichungen den Stoßpunkt zu verstecken, auch wenn diese Vogel Strauß Politik in Sonderfällen zu brauchbaren Lösungen führen kann.

Der Versuch die Ableitung der Gleichungen nachzuvollziehen gelang nur bis zur Gleichung (13), in der irgendetwas verloren gegangen sein muss; vielleicht kann die ausführliche und vollständige Ableitung dieser Gleichung hier nachgereicht werden.

Formelwerk

Das Originalformelwerk aus der Veröffentlichung lautet:

Gl. (1) Impulserhaltung: [math]\displaystyle{ m_1 (\vec v - \vec v_1') = -m_2 (\vec v_2 - \vec v_2') }[/math]

Gl. (2) Energieerhaltung: [math]\displaystyle{ m_1 (v_1^2 - v_1'^2) + \Theta_1 (\omega_1^2 - \omega_1'^2) - \Delta E = -m_2 (v_2^2 - v_2'^2) - \Theta_2 (\omega_2^2 - \omega_2'^2) + \Delta E }[/math]

Gl. (3) Drallsatz: [math]\displaystyle{ m_1 (\vec r_1 \times \vec v_1 - \vec r_1' \times \vec v_1') + \Theta_1 (\vec \omega_1 - \vec \omega_1') = -m_2 (\vec r_2 \times \vec v_2 - \vec r_2' \times \vec v_2') - \Theta_2 (\vec \omega_2 - \vec \omega_2') }[/math]

Gl. (4): [math]\displaystyle{ \frac{1}{v_1} \vec v_1 = \vec e_1, \quad \vec r_1 = \vec r_{10} = \vec r_1' }[/math] [math]\displaystyle{ ,\quad \frac{1}{v_2} \vec v_2 = \vec e_2, \quad \vec r_2 = \vec r_{20} = \vec r_2' }[/math]

Gl. (5): [math]\displaystyle{ \vec \omega_1 =0, \quad \vec \omega_2 =0 }[/math]

Gl. (6) Stoßantrieb: [math]\displaystyle{ \vec S_1 \doteq \vec S = -m_1 (\vec v_1 - \vec v_1') = \int_{0}^{t'} \vec F_1(t) dt }[/math]

Gl. (7) »Rotationsantrieb«: [math]\displaystyle{ \vec R_1 \doteq - \Theta_1 (\vec \omega_1 - \vec \omega_1') = \int_{0}^{t'} \overline{\vec p_1}(t) \times \vec F_1(t) dt }[/math]

Gl. (8): [math]\displaystyle{ \vec F_1 = \int_{\vec p_{1a}(t)}^{\vec p_{1b}(t)} \vec f_1(t, \vec p_1) dp_1 }[/math]

Gl. (9): [math]\displaystyle{ \overline{\vec p_1}(t) \times \vec F_1(t) = \int_{\vec p_{1a}(t)}^{\vec p_{1b}(t)} \vec p_1(t) \times \vec f_1(t, \vec p_1) dp_1 }[/math]

Gl. (10): [math]\displaystyle{ \vec p_{1k} \times \int_{0}^{t'} \vec F_1(t) dt = \int_{0}^{t'} \overline{\vec p_1}(t) \times \vec F_1(t) dt = \int_{0}^{t'} \int_{\vec p_{1a}(t)}^{\vec p_{1b}(t)} \vec p_1(t) \times \vec f_1(t, \vec p_1) dp_1 \; dt }[/math]

Gl. (11): [math]\displaystyle{ - \Theta_1 (\vec \omega_1 - \vec \omega_1') = \vec p_{1k} \times \int_{0}^{t'} \vec F_1(t) dt = \vec p_{1k} \times \vec S }[/math]

Gl. (12): [math]\displaystyle{ \vec p_{1k} - \vec p_{2k} = \vec r_{2k} - \vec r_{1k} \doteq \vec p_k }[/math]

Gl. (13) (aus (2), (1), (6) und (14)): [math]\displaystyle{ \frac{\vec S^2}{m^*} - 2 \vec S \Delta \vec v' = 2 \Delta E + \Theta_1 (\omega_1'^2 - \omega_1^2) + \Theta_2 (\omega_2'^2 - \omega_2^2) }[/math]

Gl. (14): [math]\displaystyle{ \Delta \vec v' \doteq \vec v_1' - \vec v_2' }[/math]

Gl. (15): [math]\displaystyle{ (\vec S - m^* \Delta \vec v')^2 = m^* [2 \Delta E + \Theta_1 (\omega_1'^2 - \omega_1^2) + \Theta_2 (\omega_2'^2 - \omega_1^2) + m^* \Delta \vec v'^2] }[/math]

Gl. (16): [math]\displaystyle{ \vec M = m^* \Delta \vec v' }[/math]

Gl. (17): [math]\displaystyle{ R^2 = m^* [2 \Delta E + \Theta_1 (\omega_1'^2 - \omega_1^2) + \Theta_2 (\omega_2'^2 - \omega_2^2) + m^* \Delta \vec v'^2] }[/math]

Gl. (18) (aus (11) und (12): [math]\displaystyle{ \vec p_k \times \vec S = \Theta_1 (\vec \omega_1' - \vec \omega_1) + \Theta_2 (\vec \omega_2' - \vec \omega_2) }[/math]

Gl. (19): [math]\displaystyle{ S_\bot = \frac{\Theta_1 (\vec \omega_1' - \vec \omega_1) + \Theta_2 (\vec \omega_2' - \vec \omega_2)}{p_k} }[/math]


Anmerkungen (--Vdengineering (Diskussion) 20:23, 17. Dez. 2015 (CET)):

  • Gl. (1): hier fehlt wohl einmal der Index 1
  • Gl. (13): hier muss der geneigte Leser für das nicht eingeführte m* in VKU-Ausgabe #9 1982 auf die Suche gehen. m* wird dort als »relative Masse« eingeführt: [math]\displaystyle{ m^* = \frac{m_1 \cdot m_2}{m_1 + m_2} }[/math] Siehe dort auch »reduzierte relative Masse«.
  • Gl. (15): hier dürfte ein Index falsch sein.

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