Die Festlegung der Kollisionsstellung und des Kontaktpunktes bei dem 90° Kreuzungsunfall unter Beachtung der Verformung des Vorbaus

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1990, p. 323 (#12)

Obwohl der 90° Kreuzungsunfall sehr häufig stattfindet, bereitet die Stoßanalyse dieses Unfalltyps trotz der Anwendung neuerer graphischer und rechnerunterstützter Rekonstruktionsverfahren oft große Probleme.
Die Schwierigkeiten treten bei der Rekonstruktion immer dann auf, wenn bei Kollisionen mit höheren Geschwindigkeiten bei der Festlegung der Kollisionsstellung und des Kontaktpunktes das Ausmaß der starken, während der Kompressionsphase eintretenden seitlichen Verformung des Vorbaus nicht berücksichtigt wird.
Anhand eines an der Technischen Universität Berlin vorgeführten Pkw-Pkw-Kreuzungsunfalles soll nachgewiesen werden, daß mit den rechnerunterstützten Rekonstruktionsverfahren eine hohe Genauigkeit der Ergebnisse zu erreichen ist, wenn die Kollisionsposition und der Kontaktpunkt unter Beachtung der Verformung der Fahrzeuge richtig festgelegt werden.


Zitat

Lipa, R.: Die Festlegung der Kollisionsstellung und des Kontaktpunktes bei dem 90° Kreuzungsunfall unter Beachtung der Verformung des Vorbaus. Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 28 (1990), pp. 323 – 331 (# 12)

Inhaltsangabe

Der im Mai 1984 an der TU Berlin von Prof. Dr.-Ing. H. Appel und Dr.-Ing. H. Rau vorgestellte Versuch bzw. dessen Auswertung führte damals zu einer heftigen Diskussion (um nicht zu sagen zum Streit) zwischen diversen Fachleuten. Ein Audi 4000 (amerikanische Variante des europäischen Audi 80) fuhr mit 57 km/h etwa rechtwinklig in die rechte Seite eines Ford Granada, der mit 37 km/h bewegt wurde. Der Audi wies eine Unfallmasse von rd. 1230 kg, der Ford eine von 1423 kg auf.

Die (kühne) These des Verfassers, dass sich der Vorderbau des Audis in der Kompressionsphase zunächst um etwa 45° nach rechts (in Fahrtrichtung des Fords) verformte und in der Restitutionsphase dann um wieder 35° nach links in die nach dem Unfallgeschehen erkennbare Stellung zurückfederte, war damals heftigst umstritten.

Die folgenden Bilder zeigen das Versuchszenario:


Grube rekonstruierte damals mit dem eigenen Programm UR5 (ohne Kenntnis der tatsächlichen Versuchsgeschwindigkeiten) für den Ford 27 – 33 km/h und für den Audi 49 – 61 km/h. Er zeigte sich im Vortrag erstaunt über die vergleichsweise geringen Abweichungen zu den Realwerten (Ford 37 km/h, Audi 57 km/h). Das damals unter DOS laufende Programm UR5 stellte Grube später aufgrund der immer stärker werdenden Konkurrenz von bspw. Carat und PC-Crash ein (vermutlich auch wegen des Aufwands und der Kosten). S+B ermittelten "händisch" die Kollisionsgeschwindigkeiten wie folgt: Ford 30 – 34 km/h, Audi 57 – 67 km/h. Lipa errechnete später (also mit Kenntnis der tatsächlichen Versuchsgeschwindigkeiten) mit PCUR aus der Programmbibliothek PROFUR die tatsächlichen Kollisionsgeschwindigkeiten bis auf 0,5 km/h genau aus - trotz der nachgewiesenen Fehler hinsichtlich der Vorbaudeformation. Dieser Umstand bestätigt eine alte Schüler-Weisheit: wenn man weiß, wie das Ergebnis lauten muss, kann man das auch "relativ sehr genau" (ein gerne genutzter Ausdruck unserer südlichen Nachbarn) berechnen! Jedenfalls lässt sich deutlich leichter rechnen, wenn man das Ergebnis vorher kennt.

Zweifelsfrei schwierig ist die Festlegung des Stoßpunkts (Kontaktpunkts) beim rechtwinkligen Anstoß zweier bewegter Fahrzeuge und damit die Rekonstruktion dieses Szenarios. Ob der o.g. Fachstreit Ursache dafür war, dass dies der bis dato einzige Beitrag des Verfassers im VuF blieb, muss wie vieles Andere offen bleiben.


Erratum

Zu diesem Beitrag gibt es einen Leserbrief von Wanderer, in dem er nachvollziehbar darlegt, dass

  • eine derart große Restitution physikalisch unmöglich ist
  • es sich um eine optische Täuschung handelt, die teilweise durch die aus dem seitlich getroffenen Fahrzeug herausfliegenden Seitenscheiben verursacht wird.

Wanderer hat dazu die original 16mm-Filme auf Fotos abziehen lassen und diese Fotos ausgewertet.
Der Leserbrief ist in der Februarausgabe des folgenden Jahres erschienen. Dem Leserbrief von Wanderer geht ein Leserbrief von Burkard in der Ausgabe 01/1991 auf S. 20 voraus.

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