Adaptionswerte in Kfz-Steuergeräten

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Rücksetzung von Adaptionswerten mit VCDS-Diagnose

Adaption Values in Automobile Control Units

Zitat

Adaptionswerte in Kfz-Steuergeräten. Colliseum, 2017.

Definition

Unter der Adaption von Werten versteht man in der Fahrzeugmechatronik die Anpassung von Parametern, um die Alterung eines Sensors oder Aktors, Serienstreuungen (Toleranzen) oder Verschleißzustände über die Fahrzeuglebensdauer auszugleichen. Üblicherweise geschieht dies heutzutage automatisch während des Betriebs mit verschiedenen Modellen ("lernende Funktionen"), die auf dem jeweiligen Steuergerät hinterlegt sind.
Der Fahrer bekommt davon im Regelfall nichts mit. Erst wenn ein Bauteil (Hardwarekomponente) in der Werkstatt ausgetauscht werden muß, für das Adaptionswerte im Steuergerät gespeichert wurden, müssen diese Adaptionswerte per OBD-Anschluß und Diagnosesoftware zurückgesetzt werden.

Abgrenzung

Codierung

Manche Diagnosesoftware bieten sog. Adaptionskanäle oder Anpassungskanäle an. Damit lässt sich manuell ein gesetzter default-Wert in gewissen Grenzen verändern (bspw. um die Verbrauchsanzeige im Cockpit besser an die Realität anzupassen oder um den Lösezeitpunkt einer Berganfahrhilfe graduell zu verändern). Dies sind keine echten adaptiven Funktionen im obigen Sinne.

Anlernen

Verschiedene Sensoren (bspw. RDKS-Sensoren oder Lenkwinkelsensoren) müssen nach Einbau kalibriert oder "angelernt" werden. Hierfür gibt es je nach Hersteller die unterschiedlichsten Prozeduren. Hierbei geht es darum, dass dem Steuergerät die neue ID des Sensors bekannt gemacht wird oder Nullposition sowie Maximalanschläge des Lenkrads dem Sensor bekannt sein müssen. Dies ist aber eine einmalige Prozedur. Die gespeicherten Einstellungen sind keine Adaptionswerte oder können verändert werden. Man kann dabei v.a. auch nicht von einer "lernenden" Funktion sprechen.

Adaptive Getriebesteuerung

Speziell bei Getriebesteuerungen gibt es Funktionen, die sich auf den Fahrer einstellen (bzw. dessen Fahrstil[1]). Dies geschieht permanent während jeder Fahrt. Im wesentlichen werden hierbei nur Schaltzeitpunkte anders gesetzt. Man kann hierbei zwar von einer lernenden Funktion sprechen, aber damit ist kein Einfluss auf die Schaltqualität oder den Schaltkomfort im engeren Sinne (siehe unten) möglich.

Beispiele

Lambda-Sonde

Lambda-Sonden werden in ihrem Ansprechverhalten durch Alterung oder Vergiftung beeinflusst. Dies führt zu einer Verschlechterung des Emissionsverhaltens, welches nach OBD II vom Motormanagement erkannt werden muß. Seit etwa 1995[2] gibt es in der Motronic M5.9 einen zusätzlichen Regelkreis, der die Verschiebung der Spannungskurve der Sonde korrigiert.

Getriebesteuerung

Bei Automatikgetrieben ist der Schaltkomfort im Wesentlichen von der Anpresskraft, mit der das Lamellenpaket der Bremse oder Kupplung zusammengedrückt wird (Kupplungsdruck) und vom Reibkoeffizienten abhängig. Die konstruktiven Parameter wie mittlerer Reibflächendurchmesser und Anzahl der Reibflächen sind festgelegt und somit über die Lebensdauer konstant.

  • Der Kupplungsdruck wird bestimmt vom Steuerstrom des jeweiligen Drucksteuerventils (Ventilkennlinie) und vom Schieberventil. Um das Kupplungsmoment genau im gewünschten Bereich halten zu können, muss vom Getriebesteuergerät kontinuierlich (mit zunehmender Lebensdauer werden die Abstände der Anpassung länger) das Verhältnis zwischen Steuerstrom und Kupplungsmoment adaptiert werden.
  • Der Reibkoeffizient ist abhängig von den Reibbelägen, deren Qualität, Alterungsverhalten und Verschleiß sowie dem Getriebeöl (ATF) und dessen Alterungszustand, Verschleiß. Weiterhin spielen ATF- und Kupplungstemperatur und Kupplungsschlupf eine Rolle.

Wichtige Parameter bei der Adaption bzw. der Beurteilung der Schaltqualität sind deshalb:

  • Fülldruck ("Vorspannung" der Kupplung)
  • Füllzeit
  • Schaltdruck (Druck während Überschneidungsschaltung)
  • Haltedruck (Druck zum sicheren Halten des geschlossenen Zustandes der Kupplung)

Letztere zwei Parameter sind oft nicht direkt über Diagnose auslesbar[3], werden aber beim "Löschen" (Rücksetzen auf herstellerseitige default-Applikationswerte) der Adaptionswerte ebenso zurückgesetzt und müssen über eine neue Adaption (z.B. spezielle Adaptionsfahrt) erneut gesetzt werden. Für eine Adaption müssen spezielle Bedingungen (bestimmtes Motormoment/-drehzahl, Fehlerspeicher leer, ATF-Temperatur > Schwellwert o.ä. usw.) vorliegen, sonst wird die Adaption nicht initialisiert.
Neuadaptionen sind in der Regel erst notwendig, wenn beispielsweise das ATF oder das Getriebe selbst gewechselt wurde. Auch nach Tausch des Getriebesteuergerätes oder Software-Update und natürlich nach (heutzutage jedoch seltenen) Reparaturen am Getriebe sollte eine Neuadaption vorgenommen werden.

Rücksetzung ohne Diagnosegerät

Einige Fahrzeughersteller haben gewisse Prozeduren vorgesehen, um eine Rücksetzung von Adaptionswerten ohne Diagnosesoftware ausführen zu können. Oft schaut dieses Procedere ähnlich wie folgt aus:

  1. Zündung an ohne Motorstart
  2. Fahrpedal einen gewissen Zeitraum voll durchdrücken
  3. Zündschlüssel wieder auf Stellung "0" und Fahrpedal loslassen
  4. Gewisse Zeit warten, bis Steuergerät zurückgesetzt ist

Die Vorgehensweisen unterscheiden sich aber von Hersteller zu Hersteller. Es gibt hier keine generelle Anleitung.

Beim Motorrad BMW R 1150 R werden bspw. durch Abklemmen der Batterie alle Einträge im Fehlerspeicher gelöscht und Adaptionswerte zurückgesetzt.

Suchbegriffe

  • Adaptionsdaten
  • Adaptionswerte
  • Adaptionsbereich
  • Adaptionsgrenzen
  • Adaptionskanal

Literatur

  • Reif, K.: Konventioneller Antriebsstrang und Hybridantriebe. Bosch Fachinformation Automobil, Vieweg + Teubner Verlag, 1. Auflage 2010, ISBN 978-3-8348-1303-9

Links

Patentschriften

  • DE 34 36 190 C2 – Einrichtung zur elektronischen Steuerung eines automatischen Fahrzeuggetriebes, Anmeldetag 03.10.1984
  • DE 196 43 305 A1 – Verfahren zur Bestimmung von Kenngrößen eines Automatgetriebes, Anmeldetag 21.10.1996
  • DE 10 2014 201 603 A1 – Verfahren zur Verbesserung der Schaltqualität zu Beginn der Inbetriebnahme eines neuen Automatgetriebes oder automatisierten Getriebes eines Kraftfahrzeugs, Anmeldetag 30.01.2014

Beiträge im VuF

Einzelnachweise

  1. http://www.bmw.at/de/footer/3/glossar/ags.html
  2. VW-Selbstudienprogramm SSP 175 – On-Board Diagnose II
  3. Selbststudienprogramm 385 – 6-Gang-Automatikgetriebe. Audi AG, Ingolstadt, 12/2008