VO (EU) 540/2014

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Verordnung (EU) Nr. 540/2014 des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über den Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen und von Austauschschalldämpferanlagen sowie zur Änderung der Richtlinie 2007/46/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 70/157/EWG

Die Grenzwerte für Fahrzeuge der Klassen M (Personenbeförderung) und N (Güterbeförderung) sind im Anhang III nachzulesen. In der ersten Phase sind die Grenzwerte ab 1. Juli 2016 gültig. In der zweiten Phase ab 1. Juli 2022 werden die Grenzwerte um 2 dB(A) reduziert und in der dritten Phase ab 1. Juli 2026 nochmals um 2 dB(A). Die Grenzwerte beziehen sich selbstverständlich auf Neuzulassungen. Für alte Fahrzeuge gilt ein Bestandschutz. Entscheidend für den jeweiligen Grenzwert bei PKW ist das Leistungs-Masse-Verhältnis (Power to Mass Ratio, PMR). Je leistungsstärker ein Fahrzeug ist, desto großzügiger sind die Grenzwerte.
Ein Sportwagen mit mehreren hundert Pferdchen muss somit den Grenzwert von 72 dB(A) erst im Jahr 2026 einhalten, während dieser Grenzwert von Kleinwagen bereits 2016 einzuhalten ist.
Der insbesondere in Innenstädten gern genutzte Klappenauspuff ist mit dieser Verordnung nicht per se für Neuzulassungen verboten, auch wenn nun eine Prüfung mit beschleunigendem Fahrzeug vorgeschrieben ist (vergleiche Anhang VII, Punkt 2.1). Laut dieses Berichts[1] "gelten [die Anforderungen] schon ohne weitere Prüfung als erfüllt, wenn der Hersteller technische Unterlagen dazu vorlegt. Bei der Beantragung der EU-Typgenehmigung reicht bereits eine einfache Erklärung, in der die Hersteller versichern, die Lärmnorm zu erfüllen." (siehe auch Anhang VII, Punkt 1).
Auch bei Krafträdern werden Klappenauspuffanlagen verwendet. Im Bericht "Übersicht über die aktuelle Situation betreffend Abgas- und Lärmverhalten sowie Vorschriften und Prüfverfahren der Motorräder und Motorfahrräder"[2] des ASTRA (Schweizer Bundesamt für Strassen) vom August 2013 heißt es dazu: "In diesem Fall erkennt die entsprechend programmierte elektronische Motorsteuerung der Motorräder, dass eine «offizielle Geräuschmessung» erfolgt (Zykluserkennung) und schliesst im Auspuff eine Klappe, welche das Geräusch auf den gesetzlich vorgeschriebenen Wert limitiert."

Abschalteinrichtungen

VO (EU) 168/2013[3] verfügt über einen § 19 "Verbot von Abschalteinrichtungen". Dort heißt es: "Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Sicherheit und die elektromagnetische Verträglichkeit beeinträchtigen oder die Wirkung der OBD-Systeme, der Schalldämpfung oder der Schadstoffemissionsminderungssysteme reduzieren, sind verboten."

Laut zweier Sachverständigen-Gutachten soll in einem Porsche Cayman (Typ 987C) eine "Funktion zur Manipulation von Prüfverfahren" (vulgo «Abschalteinrichtung») im Bereich von 47 - 53 km/h eingebaut sein.[4] Bei 50 km/h und Vollgas im dritten Gang liege das Beschleunigungsvermögen auf Kleinwagenniveau. Bei 40 oder 60 km/h trete der Effekt nicht auf.

Kommentare

  • Angesichts der Feststellung "Verkehrslärm ist in zahlreicher Hinsicht gesundheitsschädlich. [...] Verkehrslärm ist ein potenzieller Risikofaktor für die Entstehung von Krankheiten wie Bluthochdruck und gesundheitliche Zwischenfälle wie Herzinfarkte." in der Präambel der Verordnung sowie großzügiger Ausnahmen (Beispiel: Reifen tragen erheblich zur Geräuschemission bei; Traktionsreifen, Winterreifen und Spezialreifen sollen auf Verlangen des Herstellers nicht für Typgenehmigungsprüfungen und für Messungen verwendet werden. Vergleiche Anhang II, Fußnote 1) erscheint diese wie ein zahnloser Papiertiger.
  • Die Klappen-Auspuffanlagen "erkennen" den Geräuschmessvorgang ähnlich wie "moderne Dieselfahrzeuge" den Prüfstandszyklus. Das hat aber bisher offenbar niemanden interessiert. Kommt nun nach dem Abgasskandal der Auspuffskandal? Update vom 09.08.2017: das Wort "Lärmskandal" geistert schon durch die Presse[5]...
  • Kann es richtig sein, dass ein Pkw oder Kraftrad, das aus 50 km/h heraus vollbeschleunigt wird und den Schallpegel-Grenzwert einhält, zulässig ist, während ein Fahrzeug, das aus 47 km/h oder 55 km/h oder nur mit 4/5-Gas beschleunigt wird, nicht mehr zulässig ist, weil die Zykluserkennung hier nicht mehr funktioniert und der Geräuschpegel in Folge exorbitant hoch ist? Wird die Verordnung nicht ad absurdum geführt, wenn für einen exakt definierten Betriebszustand der Grenzwert mit elektronischer Hilfe eingehalten wird, aber das Fahrzeug in 99 % der Zeit in anderen Betriebszuständen bewegt wird?
  • Leistungsstarke und vergleichsweise leichte Sportwagen beschleunigen innerhalb der Messstrecke bei der Fahrgeräuschmessung auf eine höhere Geschwindigkeit als "normale" Pkws und entwickeln dabei einen höheren Schalldruckpegel. Dadurch entstand die sogenannte "Lex Ferrari" (auch "Modena-Regelung", der Lamborghini von Tim Wiese darf dann offiziell 88 dB(A)[6] haben), da derartige Fahrzeuge aufgrund zu großer Schalldruckpegel bei der Fahrgeräuschmessung dann schon früher bereits keine Zulassung erlangt hätten.
  • Die Handschrift der Lobbyisten (vgl. auch [7]) lässt sich auch gut an der Entwicklung der Grenzwerte über die letzten Dekaden ablesen, siehe nebenstehendes Diagramm. Die Grenzwerte sind aus den Anhängen der untenstehenden Richtlinien entnommen. Der obere Grenzwert ist für leistungsstarke Fahrzeuge anzuwenden.
    Entwicklung der Geräuschpegel-Grenzwerte für Kfz von 1970 bis 2026

Austauschschalldämpferanlagen

Die EU-Definition meint mit »Austauschschalldämpferanlagen« die sog. Klappenauspuffanlagen. Die neue Verordnung gilt allerdings nicht für Bestandfahrzeuge (bis Juli 2016?).

Vergleiche Anhang IX, Punkt 5.1.3.2. "Auspuff- oder Schalldämpferanlagen mit mehreren manuell anpassbaren Betriebsarten ("Klappenauspuff") müssen in allen Betriebsarten alle Anforderungen erfüllen. Es sind die Geräuschpegel festzuhalten, die in der Betriebsart mit den höchsten Geräuschpegeln entstehen."

Manuelle Steuerung

Steuerung der Auspuffklappe – auch während der Fahrt per OBD-Adapter und dessen Kopplung via Bluetooth an ein Smartphone mit passender App[8]'[9]

Apps

  • BimmerLink
  • Carly

Module

  • Active Valve Control[10]: über ein zusätzlich einbaubares Modul wird die Steuerung der bereits ab Werk verbauten Klappenanlage via bereits verfügbaren Menü (z.B. "Drive Select Menü") im Bordcomputer möglich. Einer oder mehrere bereits vorhandene Menüpunkte werden dabei mit einer anderen Funktion hinterlegt. Per Tastenkombination (bspw. 2 x ESC-Knopf drücken) ist die Funktion einfach wieder umkehrbar. Es gibt keine zusätzlichen Tasten oder Fernbedienungen.

Vorgänger-Richtlinien

  • 70/157/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den zulässigen Geräuschpegel und die Auspuffvorrichtung von Kraftfahrzeugen (6. Februar 1970)
  • 73/350/EWG zur Anpassung der Richtlinie des Rates vom 6. Februar 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den zulässigen Geräuschpegel und die Auspuffvorrichtung von Kraftfahrzeugen an den technischen Fortschritt (7. November 1973)
  • 77/212/EWG zur Änderung der Richtlinie 70/157/EWG über den zulässigen Geräuschpegel und die Auspuffvorrichtung von Kraftfahrzeugen (8. März 1977)
  • 81/334/EWG zur Anpassung der Richtlinie des Rates 70/157/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den zulässigen Geräuschpegel und die Auspuffanlage von Kraftfahrzeugen an den technischen Fortschritt (13. April 1981)
  • 84/372/EWG zur Anpassung der Richtlinie 70/157/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den zulässigen Geräuschpegel und die Auspuffanlagen von Kraftfahrzeugen an den technischen Fortschritt (3. Juli 1984)
  • 84/424/EWG zur Änderung der Richtlinie 70/157/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den zulässigen Geräuschpegel und die Auspuffvorrichtung von Kraftfahrzeugen (3. September 1984)
  • 92/97/EWG zur Änderung der Richtlinie 70/157/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den zulässigen Geräuschpegel und die Auspuffvorrichtung von Kraftfahrzeugen (10. November 1992)
  • 96/20/EG zur Anpassung der Richtlinie 70/157/EWG des Rates über den zulässigen Geräuschpegel und die Auspuffvorrichtung von Kraftfahrzeugen an den technischen Fortschritt (27. März 1996)
  • 1999/101/EG zur Anpassung der Richtlinie 70/157/EWG des Rates über den zulässigen Geräuschpegel und die Auspuffvorrichtung von Kraftfahrzeugen an den technischen Fortschritt (15. Dezember 1999)
  • 2007/34/EG zur Anpassung der Richtlinie 70/157/EWG des Rates über den zulässigen Geräuschpegel und die Auspuffvorrichtung von Kraftfahrzeugen an den technischen Fortschritt (14. Juni 2007)
  • 2007/46/EG zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (5. September 2007)

Weitere Infos zum Thema

  • VO (EU) 540/2014 - Download
  • wikipedia: Fahrgeräusch
  • § 49 Geräuschentwicklung und Schalldämpferanlage (StVZO)
  • § 38 Beschaffenheit und Betrieb von Fahrzeugen, Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG
  • § 30 StVO Umweltschutz, Sonn- und Feiertagsfahrverbot
  • ECE-R 41: Geräuschentwicklung (Kraftrad) – Noise emissions of motorcycles
  • ECE-R 51: Geräuschentwicklung von Kfz mit mindestens 4 Rädern – Noise of M and N categories of vehicles
  • DIN ISO 5130: Akustik – Messungen des Standgeräusches von Straßenfahrzeugen
  • DIN ISO 362: Messverfahren für das von beschleunigten Straßenfahrzeugen abgestrahlte Geräusch – Verfahren der Genauigkeitsklasse 2
  • http://www.kfztechnik.beetle24.de/tec_wissen/abgasklappe/index.htm
  • Genuit, K. (Hrsg.): Sound-Engineering im Automobilbereich – Methoden zur Messung und Auswertung von Geräuschen und Schwingungen. Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2010, ISBN 978-3-642-01414-7
  • Zeller, P. (Hrsg.): Handbuch Fahrzeugakustik – Grundlagen, Auslegung, Berechnung, Versuch. Vieweg+Teubner GWV Fachverlage, Wiesbaden, 1. Auflage 2009, ISBN 978-38348-0651-2

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