Neues zum Aligntest ("Test der Visiereinrichtung") bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Lasermessgerät Riegl FG 21-P

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DAR 2009, pp. 427 – 431 (#7)

Zitat

Winninghoff, M.: Neues zum Aligntest ("Test der Visiereinrichtung") bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Lasermessgerät Riegl FG 21-P. Deutsches Autorecht (DAR), ADAC Verlag GmbH München, Heft 07/2009, pp. 427 – 431.

Inhaltsangabe

Bei manchen Laser-Geschwindigkeitsmessgeräten sollen vor jedem Messeinsatz die Visiereinrichtungen geprüft werden. Aber sind die vorgeschriebenen Tests wirklich praktikabel?

Geschwindigkeitsmessungen mit sog. „Laserpistolen“ führen die Behörden seit jeher bewusst ohne Fotodokumentation durch. Technisch wäre das durchaus möglich. Eine nachträgliche Plausibilitätsprüfung der eigentlichen Messung durch Sachverständige ist daher unmöglich. Wie der individuelle Geschwindigkeitswert tatsächlich zustande gekommen ist, lässt sich in keinem Fall prüfen. Es lassen sich lediglich die Umstände der Messung nachvollziehen. Daher liegt die Forderung auf der Hand, dass das Messprotokoll über jeden Zweifel erhaben sein muss und auch dass die Messbeamten bei einer Zeugenbefragung zu der individuellen Messungen klare Aussagen treffen müssten. Liegen Messungen teilweise monatelang zurück, kann man kaum verlangen, dass sich die Beamten an den konkreten Fall erinnern. Daher die strengen Forderungen an das Protokoll. Denn die Praxis zeigt, dass es immer wieder von der Gebrauchsanweisung - bewusst oder unbewusst - abgewichen wird. Den Beamten fehlt häufig das Verständnis dafür, dass die Gebrauchsanweisung fester Bestandteil des Messverfahren ist und insbesondere Grundlage des sog. „standardisierte Messverfahren“ ist.

Da die Messung als solche nicht geprüft werden kann, "stürzt" sich alles vor allem auf den Aligntest, der technisch fehlerhaft durchgeführt werden kann. Sowohl die alte als auch die neue Fassung der Gebrauchsanweisung sind in einigen Punkten nicht eindeutig formuliert missverständlich bzw. mangelhaft und nicht zu Ende gedacht. In der neuen Fassung vom Dezember 2008, nach der seit dem 1. Mai 2009 gemessen wird, ist der Aligntest wesentlich kürzer beschrieben als zuvor und mit einem irreführenden Beispiel versehen. Der zulässige Bereich für den Aligntest wurde auf die vollständige zugelassene Messentfernung von 30 bis 1000 m ausgedehnt, ohne dass zu erkennen ist, warum der Test bislang auf einen wesentlich engeren Bereich begrenzt war. Ferner sind die Messbeamten nun bei der Wahl eines geeigneten Ziels für den Aligntest auf sich gestellt. Durch den vordergründig vereinfachten Test muss man in Zukunft noch höhere Anforderungen an die Messprotokolle, deren Vollständigkeit und Richtigkeit stellen. Die beschriebenen Unklarheiten in der neuen Gebrauchsanweisung sind der gewünschten Vereinfachung nicht dienlich.

Einige Videos der Versuche findet man hier: http://www.unfallanalyse.de/unfallforschung/visiertest.html

Die Filme zeigen die Durchführung des Aligntests auf einen Plastikreflektor mit 8 cm Durchmesser in etwa 100m Entfernung. Dabei wurde durch die Visiereinrichtung des Messgeräts gefilmt. Der Reflektor ist in 100 m Entfernung etwa so groß, wie der Mittelpunkt der Zielmarke. Die Einblendung in den Sucher gibt nicht die Entfernung, sondern den Reflexionsgrad wieder.

Die Filme zeigen, dass der Aligntest durchaus auf einen in der Hand gehaltenen Reflektor durchführbar ist. Man kann aber auch beobachten, dass die Einblendung des Reflexionsgrades den Bewegungen des Messgeräts und auch der Tonfolge leicht nacheilt. Daher darf nicht abrupt hin und her geschwenkt werden. Dann kann der Aligntest auch ohne die Tonsignale vorgenommen werden.

Außerdem wurde der Reflektor an einer Schranke befestigt, an der weitere Reflektoren angebracht sind. Wie zu erwarten, beeinflussen diese Reflektoren den Aligntest. Sind weitere Reflektoren im Zielerfassungsbereich, kann der Test nicht sicher zu Ende gebracht werden.

--Win 08:32, 12. Nov 2009 (CET)win

Kommentar

Dem Artikel liegt die 5. Auflage der Gebrauchsanweisung des Herstellers für das Riegl FG21-P aus 12/2008 zu Grunde. In älteren Gebrauchsanweisungen war der Visiertest noch konkreter gefordert, ab der Gebrauchsanweisung 12/2008 bzw. seit den Messungen ab 05/2009 kann der Visiertest mit dem FG21-P an geeigneten Objekten nun in einem Entfernungsbereich von 30 – 1.000 m durchgeführt werden. Hierdurch wird man wohl noch größeres Augenmerk auf die Einhaltung der Gebrauchsanweisung und die Protokollierung richten müssen.

Es gab dazu auch Schreiben der Innenministerien der Bundesländer an die Polizei-Dienststellen. In Bayern ist dieses Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren datiert mit dem 08.05.2009. "Nett" an diesem Schreiben ist besonders der Schluss: hier werden die Polizeidienststellen nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Gebrauchsanweisungen nicht an andere Personen wie Rechtsanwälte oder Sachverständige herausgegeben werden dürfen. Dies bedeutet, dass Sachverständige im Rahmen der Erstellung eines Gutachtens künftig entsprechende Bedienungsanleitungen beim Hersteller kaufen müssen – so sie denn der Hersteller an den Sachverständigen überhaupt verkauft. Andernfalls könnten entsprechende Gutachten in der Verkehrsmesstechnik nicht mehr von unabhängigen Sachverständigen erstellt werden, da elementare Grundlagen dann für die Begutachtung fehlten. Die Kosten für käuflich vom Gutachter erworbene Unterlagen werden sicher vom Sachverständigen weiter verrechnet, so dass sich hieraus in der Praxis höhere Gutachtenkosten ergeben werden.

Eine ähnliche, aber noch deutlich kostspieligere Problematik tut sich bspw. mit der Digitalisierung und Verschlüsselung von Fotos auf, die im Rahmen von amtlichen Messungen gefertigt wurden: wenn diese Bilder nur noch mit diversen Software-Programmen und Viewern durch unabhängige Sachverständige überprüft werden können, sind die beauftragten Gutachter gezwungen, entsprechende Anschaffungen zu tätigen. Ärgerlich ist dabei auch, dass die einzelnen Hersteller "unterschiedliche Süppchen kochen" und damit unterschiedliche Hilfsmittel durch Sachverständige angeschafft werden müssen. Die Kosten werden wohl ebenfalls mit dem Gutachten weiter verrechnet.

Interessant ist, dass das bayrische Innenministerium die neue Gebrauchsanweisung so interpretiert, dass der Plastikreflektor nicht mehr verwendet werden darf und sogar Verfahren zu Messungen nach dem 1.5.09 mit Verwendung des Reflektors nicht mehr geahndet werden sollen. Wie praktische Versuche (s. o.) gezeigt haben, ist der Reflektor auf kurze Distanz durchaus geeignet, um den Test durchzuführen. Aus der Gebrauchsanweisung ergibt sich insbesondere wörtlich nicht, dass der Reflektor nicht mehr verwendet werden soll. Dort wird nur von "geeigneten Zielen" gesprochen. --Win 08:39, 12. Nov 2009 (CET)

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