Fahrzeuggespanne als Eingangsgröße für die Kollisionsgeschwindigkeitsberechnung

Aus Colliseum
Zur Navigation springen Zur Suche springen

1987, pp. 99 – 102 (#4)

In der Verkehrsunfallrekonstruktion haben sich die Verfahren der grafischen Darstellung des Impuls- und Drehimpuls-Erhaltungssatzes für die Bestimmung der Kollisionsgeschwindigkeit bei Fahrzeug-Fahrzeug-Kollisionen als äußerst wirkungsvolles Werkzeug erwiesen. In dieser Arbeit werden die Erhaltungssätze der Mechanik für gekoppelte Zwei-Körper-Systeme abgeleitet und deren grafische Darstellung in der Impulsebene aufgezeigt. Damit ist die Möglichkeit geschaffen, Kollisionen, bei denen Fahrzeuggespanne beteiligt sind, auf herkömmliche Weise zu bearbeiten.


In traffic accident reconstruction, the graphical depiction methods of linear and angular momentum conservation principles for determining the collision speed in vehicle-vehicle collisions have proved extremely useful. In this paper, the conservation principles for the mechanics of coupled two-vehicle systems are deduced, together with their graphical depiction in the momentum plane. It is thus possible to deal with collisions in which coupled vehicles are involved in the conventional way.

Zitat

Schimmelpfennig, K.-H.; Nackenhorst, U.: Fahrzeuggespanne als Eingangsgröße für die Kollisionsgeschwindigkeitsberechnung. Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 25 (1987), pp. 99 – 102 (#4)

Untertitel: Erweitertes Rhomboid-Schnitt-Verfahren

Inhaltsangabe

Der Aufsatz beschäftigt sich damit, wie Impuls- und Drallbetrachtungen auf ein Fahrzeuggespann, bestehend aus Zugfahrzeug und Anhänger, ausgedehnt werden können. Dabei werden ungelenkte Anhänger und Anhänger mit Drehschemellenkung betrachtet. Speziell geht es darum, wie die in einem früheren Beitrag vorgestellten Methoden auf Fahrzeuggespannen ausgedehnt werden können.

Der Beitrag ist sehr theoretisch gehalten und enthält keine Anwendungsbeispiele. Es ist deshalb zu bezweifeln, dass die darin vorgestellten Methoden jemals praktische Anwendung gefunden haben. Auf jeden Fall haben sie keinen Einzug in das Programm WinKol gehalten, das die ursprünglich für Einzelfahrzeuge vorgestellte Methodik umsetzt, und sind insofern dem Vergessen anheim gefallen.

Im Sinne der Rückwärtsrechnung sind die etwa ein Jahr später nachgereichten Überlegungen in Auslaufanalyse bei Gespannen Voraussetzung für die Anwendung der hier vorgestellten Methodik.

Erläuterungen

Freiheitsgrade

Die vier Freiheitsgrade des Gespanns mit ungelenktem Anhänger sind

  • Geschwindigkeit des Zugfahrzeugs nach Betrag und Richtung bzw. in Komponenten x und y
  • Winkelgeschwindigkeit des Zugfahrzeugs
  • Winkelgeschwindigkeit des Anhängers

Alternativ kann man dem Anhänger analog zum Zugfahrzeug drei Freiheitsgrade »gewähren« und über den Kuppelpunkt zwei Nebenbedingungen einführen, was auf dasselbe hinausläuft.

Der gelenkte Anhänger verfügt über einen Freiheitsgrad mehr, da im Punkt B ein weiteres Drehgelenk eingeführt wird. Dass sich das Drehgelenk B in den Zeichnungen an der Front des gelenkten Anhängers befindet und nicht in der Mitte der Vorderachse (als Befestigungspunkt der Deichsel), ist wohl durch die Zusammensetzung des Autorengespanns zu erklären, dessen »gelenkter Anhänger« anscheinend in der Fahrzeugtechnik noch nicht ganz firm war.

Für die behandelte Theorie spielt es jedoch keine Rolle, wo sich der Gelenkpunkt B am Anhänger befindet.

Gl. (13)

Die Gleichung verwendet den Kuppelpunkt A des Anhängers als Bilanzpunkt, weshalb die dort angreifende Reaktionskraft (bzw. deren Kraftstoß) in der Momentenbilanz nicht auftaucht, weil sie keinen Hebelarm besitzt.

Impulsmoment

Im Beitrag wird der Begriff »Impulsmoment« verwendet, der neben dem weiterhin üblichen »Drall« eine veraltete Bezeichnung für »Drehimpuls« ist, siehe wikipedia:Impulsmoment. Aus Gl. (13) wird jedoch deutlich, dass hier damit spezieller die Änderung des Eigendralls gemeint ist, die der Stoßantrieb P über den Hebelarm r bewirkt

[math]\displaystyle{ \Delta \vec J = \vec P \times \vec r }[/math]

Diese spezielle Nomenklatur hat eine gewisse Logik, da für das Drehmoment auch die Bezeichnung Kraftmoment gebräuchlich ist und hier das Moment eines Kraftstoßes (Einheit Ns, wie beim Impuls) berechnet wird. Zudem wird der Stoßantrieb im Beitrag als »Stoßimpulsvektor« bezeichnet, was diese sprachliche Verwandschaft nochmals unterstreicht.

Errata

Gln. (8) und (9) müssen folgendermaßen lauten:

[math]\displaystyle{ J_x' = (m_1 + m_2) \dot x' + m_2 l_2 \sin \varphi \,\, \dot \varphi' }[/math]

[math]\displaystyle{ J_y' = (m_1 + m_2) \dot y' + m_2 l_1 \dot \psi' - m_2 l_2 \sin \varphi \,\, \dot \varphi' }[/math]

In Gl. (12) genügt die einfache Ableitung, um auf die Winkelgeschwindigkeiten zu gelangen

[math]\displaystyle{ D'_{(SP1)} = (\theta_1 + m_2 l_1^2) \dot \psi' + m_2 l_1 (\dot y' - l_2 \cos \varphi \,\, \dot \varphi') }[/math]

und ebenso beim »Relativdrall« Gl. (18)

[math]\displaystyle{ D_{(A)}' =(\theta_2 + m_2 l_2^2) \dot \varphi' + m_2 l_2 (\sin \varphi \,\, \dot x' - \cos \varphi \,\, \dot y' - l_1 \cos \varphi \,\, \dot \psi') }[/math]

Weitere Beiträge zum Thema im VuF

Weitere Infos zum Thema