EDR

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Der EDR (Event Data Recorder, auch Ereignisdatenschreiber oder Ereignisdatenspeicher) ist ein im Kfz fest installiertes elektronisches Bauteil oder eine erweiterte Funktion in einem vorhandenen Steuergerät, das bei einem Unfall oder kritischen Fahrzustand verschiedene Zustandsdaten des Fahrzeugs aufzeichnet. Im IEEE-Standard 1616 ist die Bezeichnung Motor Vehicle Event Data Recorder (MVEDR) gebräuchlich.[1] "Event" bezieht sich auf ein "Ereignis", es werden also nicht wie beim Flugdatenschreiber alle Daten durchgehend aufgezeichnet, sondern nur wenn bestimmte Auslöseparameter erreicht werden. Der EDR ist oft in das Airbagsteuergerät integriert (z.B. bei Harris); das Airbagsteuergerät bietet sich an, weil dort sowieso fast alle aufzuzeichnenden Daten zusammenlaufen und das Steuergerät recht crashsicher eingebaut ist. Informationen über den EDR und die Tabelle mit den zu speichernden Daten findet man bspw. hier. Eine Liste von Fahrzeugen mit EDR und andere Informationen sind bspw. bei Harris ersichtlich.
Da die EDR-Technik ihren Ursprung in den USA hat, sind neu zugelassene Fahrzeuge für den deutschen bzw. europäischen Markt derzeit (Stand 2018) nicht durchgängig mit der Technik ausgestattet.

Definition

"Event data recorder (EDR) means a device or function in a vehicle that records the vehicle’s dynamic time-series data during the time period just prior to a crash event (e.g., vehicle speed vs. time) or during a crash event (e.g., delta–V vs. time), intended for retrieval after the crash event. For the purposes of this definition, the event data do not include audio and video data."[2]
"EDR bezeichnet ein Gerät oder eine Funktion in einem Fahrzeug, das die dynamischen Zeitreihendaten des Fahrzeugs während des Zeitraums unmittelbar vor einem Unfallereignis (z. B. Fahrzeuggeschwindigkeit gegenüber der Zeit) oder während eines Unfallereignisses (z. B. Delta-V gegen Zeit), die zum Auslesen nach einem Kollisionsereignis vorgesehen sind, aufzeichnet. Für die Zwecke dieser Definition enthalten die Ereignisdaten keine Audio- und Videodaten."

Werkzeuge

Derzeit (10/2018) gibt es weltweit drei Systeme, die das Auslesen von EDR-Daten erlauben:

  • Bosch Crash Data Retrieval Tool
  • Hyundai/KIA EDR Tool
  • Tesla EDR Tool

Zugriff auf EDR-Informationen

Methoden

Das Herunterladen von einem Airbagsteuergerät erfolgt in den meisten Fahrzeugen am besten, indem das entsprechende Scan-Tool an den Diagnostic Link Connector (Onboard Diagnose) angeschlossen wird, der sich normalerweise unter dem Fahrzeug-Armaturenbrett in der Nähe der Knie des Fahrers befindet. Alternativ können einige Module nach dem Ausbau aus dem Fahrzeug "auf der Werkbank" heruntergeladen werden.

USA

Über 87 %[3] der Fahrzeuge des Modelljahrs 2017 und neuer werden durch das CDR-Tool (Crash Data Retrieval) von Bosch unterstützt, das den Abruf von EDR-Daten von einem in einen Unfall verwickelten Fahrzeug ermöglicht. Dieses Tool besteht aus Hardware und Software, die die Möglichkeit bietet, die in den Steuergeräten von Personenkraftwagen, leichten Nutzfahrzeugen und SUVs gespeicherten EDR-Daten, "abzubilden", "herunterzuladen" oder "abzurufen". Die Softwarekomponente ist ein einzelnes eigenständiges Programm,[4] das für die Ausführung in einer Windows-Umgebung konzipiert wurde. Der Hardware-Teil des Tools besteht aus einer Sammlung von Komponenten, einschließlich Kabeln und Adaptern, die dazu verwendet werden, Daten von unterstützten Fahrzeugen "abzurufen".
Weitere 12 % des Modelljahres 2017 und neuere Fahrzeuge werden von anderen EDR-Tools unterstützt. Im Wesentlichen betrifft dies Fahrzeuge von Hyundai und Kia, die mit dem Tool von GIT (Global Information Technology) ausgelesen werden können. Für Tesla-Fahrzeuge wurde Anfang 2018 eine ebenfalls proprietäre Auslesemöglichkeit geschaffen.[5]

Europa

Die Europäische Kommission beauftragte 2014 als Nachfolger der VERONICA-Projekte eine Studie "Study on the benefits resulting from the installation of Event Data Recorders" beim Transport Research Laboratory (TRL), die sich mit dem Kosten-Nutzen von EDR befasste.[6] Eine einheitliche Regelung bezüglich EDR existiert in Europa nach wie vor nicht (Stand 09/2018). Ab dem 1. September 2020 soll jedoch die Nutzung der EDR-Technologie für neue Modelle der EG-Fahrzeugklassen M1 und N1 Pflicht sein.[7] Für Neuzulassungen soll der Stichtag 1. September 2022 gelten.[8]
Bei importierten Fahrzeugen bzw. in den USA und der EU baugleichen oder -ähnlichen Fahrzeugtypen ist derzeit unter Umständen eine EDR-Funktionalität verfügbar.
Volvo und Toyota erlaubten im Jahr 2014 einen Zugriff auf EDR-Daten für ihre europäischen Modelle. Ab dem Modelljahr 2018 (IV. Quartal) wird eine weltweite Auslesemöglichkeit für Volkswagen-Fahrzeuge (Audi, Volkswagen, Skoda, Seat und andere) erwartet.[9]

Kritik

Datenschutz

Trotz Warnungen und Hinweisen in der Fahrzeug-Betriebsanleitung kennen viele Fahrer die Aufnahmemöglichkeiten ihres Fahrzeugs nicht.
Vierzehn US-Bundesstaaten haben EDR-spezifische Statuten. Im Allgemeinen beschränken diese staatlichen Gesetze den Zugang zum EDR oder beschränken die Verwendung von wiedergewonnenen EDR-Informationen. Am 4. Dezember 2015 wurde in den USA der Federal Driver Privacy Act von 2015 in Kraft gesetzt. Darin heißt es, dass der Eigentümer oder Leasingnehmer eines Kraftfahrzeugs Eigentümer der vom EDR gesammelten Daten ist. Um auf diese Daten zugreifen zu können, müsste ein Ermittler (1) von einem Gericht oder einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde zugelassen werden, vorbehaltlich der Standards für die Zulassung zu Beweismitteln; (2) die schriftliche, elektronische oder aufgezeichnete Zustimmung des Fahrzeugbesitzers oder Mieters zu erhalten; (3) eine durch Bundesgesetz genehmigte Untersuchung oder Inspektion durchführen; (4) zeigen, dass es notwendig ist, die medizinische Versorgung als Reaktion auf einen Autounfall zu erleichtern; oder (5) Forschung auf dem Gebiet der Verkehrssicherheit betreiben, solange die persönlichen Informationen des Eigentümers / Mieters nicht offen gelegt werden.[10]
Der deutsche Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Peter Schaar, beschrieb die deutsche Problematik im Vortrag anlässlich eines ADAC-Fachgesprächs (»Gläserner Autofahrer unter Generalverdacht? Das Recht auf datenfreie Fahrt«) am 28. September 2006 in München.

Datenvalidität

Der EDR-Spezialist Wesley Vandiver fasste in seinem Vortrag auf der WREX 2016 zusammen:[11]

»• The acquisition of EDR data replaces nothing in an investigation.....absolutely nothing.
  • Any EDR data obtained should be considered "more" evidence, not "replacement" evidence.
  • Sometimes extra information raises additional questions.....that's life!
  • Depending on your definition, sometimes the [EDR] data may be "wrong".«

Sinngemäß bedeutet dies, dass Daten aus einem EDR keine konventionelle Unfallrekonstruktion ersetzen können und sorgfältig validiert werden müssen. Offensichtlich bestehen grundsätzlich auch Möglichkeiten, dass abgespeicherte Daten nachträglich manipuliert werden können.[12]

Abgrenzung zum Unfalldatenspeicher

Ein Unfalldatenspeicher (UDS, engl. Accident Data Recorder) ist ein eigenständiges, nachrüstbares elektronisches Gerät, das vor, während und nach einem Verkehrsunfall relevante Daten aufzeichnet. Unterschiede zum EDR bestehen nicht nur in der Aufzeichnungsqualität und -dauer, sondern u. a. darin, dass ein EDR in der Regel als zusätzliche Funktion in einem vorhandenen Steuergerät ausgeführt ist. Der EDR muss vom Fahrzeughersteller oder dessen Zulieferer während der Entwicklung in das vorgesehene Steuergerät hardware- und softwaremäßig integriert werden. Der UDS ist hingegen physisch betrachtet ein separat in einem beliebigen Fahrzeug (nachträglich) einbaubares Gerät mit proprietärer, fahrzeugunabhängiger Sensorik. Zwischen den Begrifflichkeiten Unfalldatenspeicher und Event Data Recorder wird oft - auch von Fahrzeugherstellern selbst in ihren Betriebsanleitungen oder von Journalisten - nicht sauber differenziert.

Beiträge im VuF

Weitere Infos zum Thema

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. IEEE 1616-2004 - IEEE Standard for Motor Vehicle Event Data Recorder (MVEDR). IEEE, 2005-02-10 (Zugriff 2018-10-05)
  2. NHTSA, 49 CFR 563 - EVENT DATA RECORDERS
  3. Richard Ruth: EDR Update 2018. Symposium on Traffic Safety, Orlando (Florida), 2018-05-21 (Zugriff 2018-09-24 (PDF))
  4. https://www.boschdiagnostics.com/cdr/software-downloads
  5. Fred Lambert: Tesla releases new tool for people to retrieve ‘blackbox data’ after a crash Electrek, 2018-03-06 (Zugriff 2018-09-25)
  6. David Hynd, Mike McCarthy: Study on the benefits resulting from the installation of Event Data Recorders. TRL, 2014 (Zugriff 2018-09-25 (PDF))
  7. Public Consultation on the revision of the Vehicle General Safety Regulation and the Pedestrian Safety Regulation - Background document. Europäische Kommission, Directorate-General for Internal Market, Industry, Entrepreneurship and SMEs (Zugriff 2018-10-24 (PDF))
  8. General Safety Regulation and Pedestrian Safety - Regulation Review of the Regulations – Safety Way forward. Europäische Kommission, Directorate-General for Internal Market, Industry, Entrepreneurship and SMEs (Zugriff 2018-10-24 (PDF))
  9. Bill Rose: 2018 European CDR Tool User Summit. 2018-06-15 (Zugriff 2018-09-24 (PDF))
  10. Joseph C. Baiocco, Samuel A. Shusterhoff: Driver Privacy Act of 2015 Addresses Privacy Concerns for Data Collected on Event Data Recorder. The National Law Review, 2016-03-02 (Zugriff 2018-05-07)
  11. Wesley E. Vandiver: Event Data Recorder Anomalies and Limitations: Can EDRs Be Wrong? Vortrag bei der World Reconstruction Exposition 2016 (WREX 2016) in Orlando, Florida (USA), 2.-4. Mai 2016
  12. Dieter Spaar: Die versteckte Blackbox im Auto - Airbags sammeln Fahrdaten. c't, p. 180, 2018-10-12 (Zugriff 2018-10-22)
  13. https://www.thi.de/suche/veranstaltung/calendar/event/edr-fuer-automatisierte-fahrzeuge-1109/