Die Mechanik des Überrollvorgangs eines vom Kraftfahrzeug überfahrenen Fußgängers
2024, p. 330 (#10)
Bei Verkehrsunfällen gibt es immer wieder Ereignisse, bei denen eine Person durch das Fahrzeug erfasst und anschließend überrollt wird beziehungsweise auf der Straße liegende Personen überfahren werden. Durch das Überrollen des Körpers durch das Rad werden schwerwiegende Verletzungen erzeugt, besonders werden Brustverletzungen genannt und dabei intrathorakale Organverletzungen beschrieben, aber auch Überfahrstellen des Kopfes liegender Personen treten auf. Für die Sicherheitsentwicklung von Pkw sind diese Ereignisse sehr selten und bedürfen somit nicht zwingender Maßnahmen, allerdings finden diese Vorgänge in der forensischen Gutachterpraxis oftmals ihre Behandlung. Insofern sind Kenntnisse zu Kinematik, Mechanik und Verletzungsanalytik von Bedeutung. Im Jahr 1975 wurde am Institut für Fahrzeugtechnik der Technischen Universität Berlin vom Verfasser eine Diplomarbeit [1] erstellt, die bislang unveröffentlicht ist, die sich mit dem ausführlichen technischen Mechanismus des Überfahrens einer auf der Straße liegenden Person befasst und zu der jedoch immer wieder Einzelanfragen die Notwendigkeit einer Publikation zum jetzigen Zeitpunkt veranlassten. Der Körper des Fußgängers ist nicht als ein kreisförmiger Zylinder zu verstehen, sondern muss als ein rechteckförmiger komprimierbarer Körper mit unterschiedlicher Steifigkeit angesehen werden. Auch kann der Körper beim Überfahrvorgang nicht als sogenanntes Stabmodell mechanisch und kinematisch dargestellt werden. Es zeigten sich in den Versuchen unter Überfahr-Geschwindigkeiten 30 und 50 km/h charakteristische Endlagen und Weg-Zeit-Zusammenhänge. Als wichtigste Einflussgröße kann die Überfahrstelle angesehen werden. Die maximale Bewegung des Körpers in Rollrichtung des Rades trat bei Thorax-Überfahrenen auf und war signifikant größer als bei den Kopf-Überfahrenen, ebenfalls bei einem gebremsten Rad größer als beim ungebremsten Rad.
The mechanics of the rollover of a pedestrian run over by a motor vehicle
In road accidents, there are frequently incidents in which a person is hit by a vehicle and then run over or people who are lying on the road who are run over (without prior collision). Chest injuries are the most severe injuries, especially intrathoracic organ injuries; these are caused by a wheel rolling over the body. For the safety development of cars, these events are very rare (< 0.1%) and therefore do not require mandatory measures. However, these incidents are often processed with forensic expertise. In this respect, knowledge of kinematics, mechanics and injury analysis are im-portant. In 1975, the author wrote a master’s thesis that deals with the detailed technical mechanism of running over a person lying on the road; this work has not been published to date. Nevertheless there have been repeated individual enquiries prompting the need for publication at the present time. The body of the pedestrian is not to be understood as a circular cylinder or a beam, but must rather be seen in mechanical strength as a rectangular compressible body with varying stiffness and flexi-ble body segments. Characteristic end positions and distance-time correlations were found in the tests when the vehicle was run over at speeds of 30 and 50 km/h. The most important influencing factor can be considered to be the crossing point on the body. The maximum movement of the body in driving direction of the wheel occurred when the thorax was run over and was significantly greater compared to when the head was run over; it was also greater with a braking wheel than with an unbraked wheel.
Zitat
Otte, D.: Die Mechanik des Überrollvorgangs eines vom Kraftfahrzeug überfahrenen Fußgängers. Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 62 (2024), pp. 330 – 343 (#10)