Öffentliche Bestellung und Vereidigung

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abgekürzt öbuv oder öbub

Sinn und Zweck der ÖBuV

Der Sachverständige ist in Deutschland in aller Regel freiberuflich tätig, denn nur so ist die vom Gesetzgeber geforderte Unabhängigkeit gewährleistet. Die Bezeichnung “Sachverständiger” als solche ist kein geschützter Titel; jeder darf sich als Sachverständiger bezeichnen. Um fachlich besonders qualifizierte Sachverständige auszuzeichnen, besteht die Möglichkeit der öffentlichen Bestellung und Vereidigung, z.B. als Sachverständiger für Straßenverkehrsunfälle.

Diese öffentliche Bestellung und Vereidigung wird durch die Industrie- und Handelskammer desjenigen Ortes, in dem der Sachverständige seinen Hauptwohnsitz hat, durchgeführt. Dabei wird die besondere Fachkenntnis des Sachverständigen einer schriftlichen und mündlichen Prüfung unterzogen. Die fachlichen Bestellungsvoraussetzungen, auf die sich die Industrie- und Handelskammern im deutschen Industrie- und Handelstag geeinigt haben, nennen

  • ein technisches Hochschulstudium (Maschinenwesen, Bauingenieurwesen, Fahrzeugwesen, Verkehrstechnik oder Physik)
  • eine praktische Tätigkeit von mindestens zwei Jahren als Sachverständiger für Unfallrekonstruktion oder in verwandten Sachgebieten
  • juristische Grundkenntnisse, insbesondere im Straßenverkehrsrecht, im Bürgerlichen Gesetzbuch, sowie in der Straf- und Zivilprozessordnung.

Ländersache

Die ÖBuV ist in Deutschland Ländersache der einzelnen Bundesländer. Meist wird die ÖBuV durch die Industrie- und Handelskammern durchgeführt. Die Regierung von Oberbayern war bis dato für die ÖBuV u.a. im Bereich der Straßenverkehrsunfallrekonstruktion im Bereich Oberbayern zuständig. Wie sich aus einer Mitteilung der Regierung von Oberbayern vom 06.09.2007 ergibt, wird das Bayerische Sachverständigengesetz zum 01.01.2008 aufgehoben, so dass ab 2008 die öbuv-Sachverständigen der Regierungen in Bayern nun ebenfalls den IHKn zugeordnet werden und damit voraussichtlich auch in die Internetliste der IHKn aufgenommen werden (was bis dato nicht der Fall war). Die in Bayern scheinbar anders gehenden Uhren werden also zumindest diesbzgl. angepasst.

Die Sachverständigenordnung der Sachverständigen der IHK für München und Oberbayern kann hier heruntergeladen werden. Die ehemaligen "Regierungssachverständigen" sind nun endgültig ab dem 01.01.2008 der IHK für München und Oberbayern angegliedert.

Fachgremien

Die Prüfung der Eignung zur ÖBuV wird von der jeweiligen IHK meist an eines der bundesweit vier Fachgremien delegiert, nämlich

  • IHK Bochum und Düsseldorf (Prüfung an einem der beiden Standorte)
  • IHK Frankfurt/Oder
  • IHK Darmstadt
  • IHK Nürnberg (seit der Änderung der Zuständigkeiten in Bayern)

Das Anforderungsprofil und der Prüfungsmechanismus unterscheiden sich von Gremium zu Gremium. Im Groben verläuft die Prüfung dreistufig:

  • Prüfung der eingereichten Unterlagen und Gutachten
  • schriftliche Prüfung
  • Fachgespräch (mündliche Prüfung)

Gelten alle drei Teile als bestanden, so empfiehlt das Fachgremium der IHK, den Sachverständigen für das Fachgebiet zu bestellen. Wird die Prüfung nicht zur Gänze bestanden, so kann sie zu einem späteren Zeitpunkt meist in den nicht bestandenen Teilen wiederholt werden. Das Prüfungsgremium verzichtet dann z.B. darauf, erneut Probegutachten einzuholen.

Die Fachgremien sind gehalten, dem Gutachter die spezielle Sachkunde zu attestieren, d.h. eine über das übliche Maß hinausgehende Fachkenntnis. Die ÖBuV ist, um es plakativ zu formulieren, nicht der Führer-, sondern der Personenbeförderungsschein. Das Fachgremium muss der Überzeugung sein, dass der Gutachter auf (nahezu) allen Teilen des Fachgebietes über besondere Sachkenntnis verfügt. Das Gremium muss bei seiner Empfehlung deshalb die Interessen des Prüflings (Renommee) gegen diejenigen der Allgemeinheit (verlässliches fachliche Urteil) abwägen.

Öbuv-Initiative des EVU

Die EVU-Ländergruppe Deutschland organisiert seit 2020 in etwa dreijährigem Turnus (zuletzt 2023) Vorbereitungskurse für die Bestellungsprüfung im Fachgebiert »Unfallrekonstruktion«. Die jeweils zweitägigen Unterrichtseinheiten finden an unterschiedlichen Orten statt, so etwa bei CTS in Münster und in der DEKRA-Hauptverwaltung in Stuttgart. Dort halten gestandene Unfallanalytiker Vorträge zu einer Vielfalt relevanter Themen ab, samt praktischer Übungen. Eine Auswahl der dabei verwendten Materialien findet sich unter GeoGebra und SMath Studio.

Klausurbeispiele mit Lösungen

Für denjenigen, der sich um die ÖBuV bewirbt, ist natürlich die Kenntnis von Prüfungsaufgaben sinnvoll (damit man weiß, was auf einen zukommt). Ein Beispiel für den technischen Teil einer ÖBuV-Klausur mit 6 Prüfungsaufgaben soll hier potentiellen Bewerbern und Prüflingen vorgestellt werden. Diese ÖBuV-Klausur ist übrigens auch im QUERY-Projekt aus 2006 im Anhang 6 (Seite 146 – 147) veröffentlicht – allerdings ohne Lösungen. Siehe hierzu auch Query-Vorschläge zu europäischen Richtlinien in der Unfallrekonstruktion oder Die EVU und ihre Ländergruppen im Wandel - Weiterbildung, Berufsbild und das Projekt QUERY oder gleich zum Download des Abschlussberichts auf die EVU-Homepage.

Empfehlenswert ist natürlich, sich zunächst die Aufgabenstellung anzusehen und selbst zu lösen, bevor man sich die Musterlösung ansieht.

  • Klausuraufgaben aus QUERY und Musterlösungen
  • Klausur Bochum 2004
  • Klausur Bochum 2009
  • Klausur Bochum 2012

Kommentar von Prof. Dipl.-Ing. Johannes Halm : Als langjähriges Mitglied von Prüfungskommissionen, die gewohnt sind, Fragen und Aufgaben zu stellen, reizten mich die ohne Lösung angeführten Klausuraufgaben 2012, einmal die Seite zu wechseln und die Aufgaben zu lösen. Der Spaß dauerte volle zwei Stunden, -die Zeit, die auch den Kandidaten zur Verfügung gestanden hatte. Ob meine Lösungen mit den Musterlösungen übereinstimmten (d.h. eventuell richtig waren) konnte ich nicht nachprüfen. Aber auch für die aktuellen Prüfer waren das Korrigieren und Bewerten der Kandidatenarbeiten sicher keine beneidenswerte Sache! Drei der vier Aufgaben erforderten textliche Ausführungen und Erläuterungen: da solche individuellen Handschriften mehr oder weniger gut zu entziffern sind und die Lösungen kurz oder ausschweifend und unterschiedlich tiefgründig formuliert sein können, muss die Beurteilung sehr schwierig sein, ob und wie übereinstimmend der Kandidat die Kernaussagen der Musterlösung getroffen hat. Einfacher ist das Korrigieren der ersten Aufgabe, die kollisionsmechanische Formelkenntnisse und Berechnungsdurchführungen verlangte: der Abgleich der von den Kandidaten abgelieferten Gleichungen und Ergebnisse mit den Musterlösungen ist eindeutig und gibt keinen Ermessensspielraum. Da im nächsten Jahr die IHK Nürnberg vielleicht die öffentliche Bestellung u. Vereidigung (Straßenverkehrsunfälle) aufnimmt, sehe ich meine obigen Überlegungen auch als Diskussionsbeitrag für die Qualitätsanpassung der Sachkundeprüfungen an den betroffenen IHKs.

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